München – Nino Goldbeck und seine Kollegen haben es ständig mit neuen Ideen zu tun. Wenn eine neue Masche bei ihnen in der Zentralstelle Cybercrime in Bamberg landet, dann haben meist schon viele Menschen viel Geld verloren. Zum Beispiel durch eine neue Phishingmasche, bei der Online-Bankdaten abgefangen werden. „Damit ging es im Sommer 2022 los“, erzählt Oberstaatsanwalt Goldbeck. „Damals war das noch eine neue Vorgehensweise.“ Erst fischen die Täter die Zugangsdaten zum Online-Banking ab, später verschaffen sie sich über einen Trick Zugang zu einer TAN. Dafür rufen sie die Opfer an, geben sich als Bankmitarbeiter aus. Sind die Täter erfolgreich, können sie eine virtuelle Debitkarte einrichten, die mit dem Konto der Opfer verknüpft ist. So können sie mit ihrem Handy bezahlen und das Konto leer räumen. Vergangenen Sommer hatte ein 31-Jähriger aus München auf diesem Weg erst eine Kette für 12 000 Euro und dann eine Luxusuhr für 15 000 Euro gekauft. Die Ermittler kamen dem Mann auf die Spur und konnten ihn bei seinem dritten Einkauf überführen.
Inzwischen sind die Fälle wieder leicht zurückgegangen, berichtet Goldbeck. Auch weil einige Banken bereits reagiert haben und entsprechende Schutzvorkehrungen getroffen hätten. Oft seien die Täter, die die Bankdaten abfischen, nicht dieselben, die die Konten leer räumen. „Die Bankdaten werden im Darknet verkauft“, berichtet der Oberstaatsanwalt. Er und seine Kollegen nutzen jede Chance, um vor Maschen wie diesen zu warnen. „Bankmitarbeiter würden nie TAN-Nummern verlangen“, betont er. Aber Goldbeck weiß, dass die Betrüger bald wieder eine neue Masche haben werden. Sein Appell ist: Bei der kleinsten Skepsis sofort die Polizei informieren. Und sich immer über einen zweiten Kanal rückversichern, in diesem Fall per Anruf bei der Bank.
Das gilt genauso für die sogenannten Enkeltrick-Betrüger oder die Täter, die sich als Polizisten ausgeben, um von meist älteren Menschen Wertsachen zu fordern – angeblich um sie vor Einbrechern in Sicherheit zu bringen. „Diese Tricks sind nicht mehr neu, funktionieren aber leider immer noch“, berichtet Daniel Katz, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Auch deshalb, weil die Täter immer häufiger großen psychologischen Druck aufbauen. Sie geben sich am Telefon beispielsweise als Kinder oder Enkel ihrer Opfer aus und sagen, sie hätten einen tödlichen Unfall verursacht und bräuchten eine große Geldsumme als Kaution, um nicht ins Gefängnis zu müssen. „Das sind für die Opfer solche psychischen Ausnahmesituationen, dass sie alle Warnungen vergessen.“ Trotzdem rät er Familien, besonders mit Großeltern, über diese Betrugsmasche zu reden und dafür zu sensibilisieren. „Die Täter finden immer wieder neue Tricks, sie sind brutal erfinderisch.“ Bei vielen Senioren sei die Scham groß, wenn sie auf einen Trick hereingefallen sind. „Es gibt bei diesen Betrugsfällen sicher eine große Dunkelziffer.“
Die Zentralstelle für Cybercrime wurde 2015 gegründet. Damals arbeiteten dort zwei Ermittler – heute sind es 25. Und vermutlich werden in einigen Jahren noch deutlich mehr gebraucht. Denn die Künstliche Intelligenz könnte Betrügern in die Hände spielen. „Die KI wird für uns ein großes Thema“, sagt Oberstaatsanwalt Goldbeck. Bisher handele es sich noch um Einzelfälle. Trotzdem sei es enorm wichtig, die technischen Entwicklungen schon jetzt im Blick zu behalten, sagt er. Es gebe bereits Tools, die anzeigen können, ob Stimmen KI-generiert sind, sagt Goldbeck. „Wir versuchen uns zu wappnen, beobachten den Markt und versuchen Muster zu erkennen.“ Zweifel, dass die Zahl der Betrugsmaschen durch Künstliche Intelligenz steigen wird, haben er und seine Kollegen nicht.