Eine Todesanzeige und ihre Geschichte

von Redaktion

VON CORNELIA SCHRAMM

Deisenhofen – Reihe 1, Grab 1. Hier am Friedhof in Oberhaching ruht fortan der „Werbe-Papst“. „Ich ziehe um, von Deisenhofen nach Oberhaching“, verkündete Ernst von Khuon-Wildegg gestern in mehreren Zeitungen. Der Verstorbene lacht auf einem Foto von seiner Todesanzeige, die Sonne strahlt ihn an. Morgen wird er beerdigt.

Das Grab Nummer 1 hatte Khuon sich schon vor Jahrzehnten gesichert – und das mit der Reihe 1 ist eine Geschichte für sich. Nur die auffällige Annonce hat seine Familie für ihn aufgeben müssen. Vorige Woche ist Khuon mit 80 Jahren an Krebs im Arm seiner Frau gestorben.

Der weiß-blaue, typisch bayerische Himmel, das Zitat von Pippi Langstrumpf und die kecken Worte, die Khuon selbst zu sagen scheint: „So oder so ähnlich hätte mein Vater die Anzeige sicher auch selbst gestaltet“, sagt Sohn Alexander Khuon (53). „Immerhin war er ja der Werbe-Papst und damit einer der letzten Dinosaurier dieser Branche in München.“

Als am 4. Dezember 1971 der erste McDonald’s Deutschlands in München-Giesing eröffnet, übernimmt der junge Ernst von Khuon-Wildegg die Werbung. „Angefangen hatte mein Vater in der Werbe-Abteilung von Sport Schuster“, erzählt sein Sohn. „Die angestammte Werbeagentur, in der er danach tätig war, wollte dann nicht die PR für so eine neumodische Ami-Frittenbude übernehmen. Also haben sich damals ein paar junge Wilde zusammengetan und das selbst in die Hand genommen.“ Heute weiß man: Diese verpönte Frittenbude sollte auch in Bayern Karriere machen.

Khuon gründet seine eigene Agentur Khuon-Wildegg und Partner und später seine Werbe- und Presseagentur Villa Wildegg. Seine Slogans, unter anderem für Konzerne wie Mediamarkt, dröhnen in Radio und Fernsehen durch die Nation. „Sprüche wie ,Mahag – nett und gründlich‘ für das Münchner Autohaus zitieren viele Leute noch immer“, sagt Alexander Khuon.

Auch für die Wiesn-Wirte rührt Khuon die Werbetrommel. Den ehemaligen Hippodrom-Wirt Sepp Krätz und Hacker-Wirt Toni Roiderer zählt er zu seinen Freunden. Khuon ist auch Gründungsmitglied im „Verein zur Erhaltung der Biergartenkultur“. Dieser trägt Anfang der 1990er die Münchner Gemütlichkeit per Trauermarsch zu Grabe. Ein symbolträchtiger und vor allem medienwirksamer Protest gegen das Verkürzen der Schankzeiten und die damit verbundenen Umsatzeinbußen. Khuon marschiert damals neben Sepp Krätz, Manfred Schauer, Wolfgang Fierek, Uschi Seeböck und 4000 Gleichgesinnten. All die Geschäftspartner und Freunde von früher werden sich am Donnerstag bestimmt von Ernst Khuon verabschieden.

Khuon hatte zudem ein Faible für schöne, schnelle Autos. Und seine Flitzer von Rolls-Royce und Posche waren stets silberfarben. „Deshalb lassen wir seinen Sarg gerade noch umlackieren. Auch sein Kennzeichen M-VK1 soll mit ihm beerdigt werden“, sagt sein Sohn. „So ist mein Vater auf seinem nächsten Weg sicher unterwegs. Egal wo er landet, wird er mit seinen Spezln anstoßen – das ist in jedem Fall der Himmel für ihn.“

Zurück zur Reihe 1: Auch dort verbringt das Deisenhofener Urgestein seine letzte Ruhe übrigens in guter Gesellschaft. Alle Mitglieder seines Stammtisches haben sich dort Gräber gesichert. Auch Khuons Vater, Professor und Wissenschaftsjournalist, ist hier begraben. „Meinem Großvater hat es natürlich nicht gefallen, dass mein Vater in die Werbung wollte – das galt als schmutziges Geschäft“, sagt Alexander Khuon.

Ein Professor wurde aus dem „Ernstl“ zwar nicht, aber ja immerhin der Werbe-Papst. Seine Arbeit war sein Hobby. Pünktlichkeit und Ehrlichkeit gingen ihm über alles – und seine Familie. Seine Frau Helge, mit der er 56 Jahre lang verheiratet war, und seine Kinder Patrizia und Alexander werden ihn nie vergessen – und wünschen gute Fahrt gen Himmel.

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