Geplanter Windpark spaltet eine Gemeinde

von Redaktion

VON SABINE DOBEL

Altötting/Mehring – Es soll Bayerns größter Windpark werden: An die 40 Windräder mit einer Gesamtleistung von 288 Megawatt könnten im Altöttinger Staatsforst künftig rechnerisch rund 150 000 Haushalte mit sauberem Windstrom versorgen – so der ehrgeizige Plan der Staatsregierung, den sie mit den Bayerischen Staatsforsten und dem deutsch-französischen Unternehmen Qair vorantreibt. Der Park soll auch das bayerische Chemiedreieck mit zusätzlicher Energie versorgen. Etwa zehn Prozent des hier benötigten Stroms, so heißt es, könnten mit dem Wind produziert werden.

Doch in der Region regt sich Widerstand. Zwei von neun betroffenen Kommunen im Landkreis – Emmerting und Kastl – haben nicht zugestimmt. Auf ihrem Gebiet wird bisher keine Windkraft geplant. In Mehring wiederum sind am Sonntag die Bürger an die Urnen gerufen, um über das Projekt abzustimmen. Rund zehn der 40 Windräder sollen auf Mehringer Gebiet stehen – ein Nein könnte große Auswirkungen auf das Projekt haben.

„Wir haben hier in der Region rund um das Chemiedreieck einen sehr hohen Strombedarf. Je mehr Strom lokal erzeugt werden kann, desto besser ist es“, mahnte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er hofft auf möglichst breite Zustimmung aus der Bevölkerung. Pro Jahr würden voraussichtlich rund 1,1 Millionen Euro in die Kassen der Gemeinden fließen. „Hinzu kommen wichtige Impulse für die lokalen Handwerker, Unternehmen und Gastronomie, wenn für den Windpark hier rund eine halbe Milliarde Euro investiert wird.“

Die Initiative Gegenwind Altötting, die den Bürgerentscheid initiiert hat, argumentiert hingegen, die Gegend sei für Windkraft nicht geeignet. „Wir sind ein ausgewiesenes Schwachwindgebiet“, sagte ein Sprecher. In dem Gebiet gebe es im Schnitt Windstärken von rund 4,5 Metern pro Sekunde, für einen sinnvollen Betrieb seien zwölf bis 13 Meter pro Sekunde nötig. Zudem müssten große Teile des Waldes gerodet werden, der als Bannwald fungiere, die Anwohner vor Emissionen und Lärm der Chemiebranche schütze und die Luft reinige.

Qair legt andere Zahlen vor. In der geplanten Nabenhöhe von rund 200 Metern liege die Windstärke bei 5,6 bis 6,1 Metern pro Sekunde, sagte Geschäftsführerin Heike von der Heyden. „Wir planen mit einer neuen Generation von Anlagen.“ Sie liefen bei Wind von drei Metern pro Sekunde bis 25 Metern pro Sekunde. „Wir haben genügend Wind, um mit 200 Volllaststunden 550 Millionen Kilowattstunden im Jahr zu erzeugen.“ Pro Windrad rechnet Qair mit gut einem Hektar Wald, der für den Bau gerodet werden muss. Dauerhaft müsse pro Anlage etwa ein dreiviertel Hektar waldfrei bleiben. Für die gerodete Fläche müsse an anderer Stelle Wald neu gepflanzt werden.

Mehring scheint gespalten. Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) und die meisten Gemeinderäte befürworten das Projekt. „Wir haben entschieden, dem Bürgerbegehren ein Ratsbegehren entgegenzusetzen, weil wir im Gemeinderat fast einstimmig für die Errichtung tendieren.“ Allerdings lebt laut Buchner über die Hälfte der Bürger in einem Ortsteil, an den die Anlagen bis auf 1000 Meter heranrücken würden. „Da spielt das persönliche Befinden mehr mit als das Wohl der Allgemeinheit.“

Der Bund Naturschutz sieht das Windprojekt in Altötting positiv. Zwar seien Waldgebiete weniger geeignet als offenes Land. Aber: „Um die Klimakrise abzumildern, brauchen wir eine echte Energiewende, die in Bayern leider jahrelang systematisch verhindert wurde“, sagte der Landesvorsitzende Richard Mergner mit Blick auf die 10H-Abstandsregel. Erst die Lockerung dieser Regel, nach der Windräder das Zehnfache ihrer Höhe von Siedlungen entfernt sein mussten, hatte neue Projekte möglich gemacht. Nicht zuletzt zwingt das „Wind-an-Land-Gesetz“ den Freistaat, Flächen für Windräder zur Verfügung zu stellen – bis 2030 sollen es 1,8 Prozent der Landesfläche sein. Derzeit laufen Windmessungen. Das Unternehmen plant die Inbetriebnahme 2027. Von der Heyden sagt: „Es ist ein sportlicher Zeitplan.“

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