München/Mehring – Aus dem „Betriebsunfall Mehring“ müssten jetzt Konsequenzen gezogen werden, sagt der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl (CSU). Er sieht zahlreiche Fehler bei der Konzeption des Windparks am Chemiedreieck. Der Bau von zehn Windrädern sei durch den Bürgerentscheid in Mehring vergangenen Sonntag auch deshalb abgelehnt worden, weil es an Mitbestimmung und finanzieller Teilhabe gemangelt habe. Auch wenn die Bayerischen Staatsforsten jetzt das Verfahren geändert haben (siehe Interview rechts), für Brandl zeigt sich ein Grundsatzproblem: Bürgerbeteiligung und Kommunen als Betreiber würden vernachlässigt. Trotz „seit Monaten laufenden Gesprächen“ käme man „kein Jota“ voran.
Brandl ist nur eine Stimme von vielen, die mehr Tatkraft bei der Windkraft verlangen. SPD und Grüne sowieso, aber auch Mittelstandsverbände, die IHK, der DGB – sie alle sind unzufrieden mit dem, wie es bisher lief.
Der Traum, mit dem Windpark Altötting ein Vorzeigeprojekt zu verwirklichen, scheint jedenfalls geplatzt. 40 Anlagen wie ursprünglich vorgesehen, werden es nach dem verlorenen Bürgerentscheid nicht mehr werden. Ohnehin sei die Zahl 40 wohl eher eine politische Vorgabe gewesen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (SPD) sprach im April vergangenen Jahres von einem „Prestigeprojekt der Staatsregierung“. Damit habe man öffentlich punkten wollen, nach dem Motto: Seht her, auch Bayern kann Windenergie. Nun wird das Projekt wohl ein, zwei Hausnummern kleiner.
Es kann sogar sein, dass noch mehr der ursprünglich sieben eingeplanten Gemeinden abspringen. In Marktl und Haiming sind ebenfalls Bürgerentscheide geplant – vermutlich am Tag der Europawahl am 7. Juni.
Dass sich die Politik nun im Vorfeld mehr engagieren soll, ist allenthalben zu hören. Benedikt Dittmann (CSU), Bürgermeister von Marktl, sagt unserer Zeitung: „Der Aiwanger soll sich um die bayerische Wirtschaft und die Windräder kümmern und nicht auf irgendwelchen Demos rumhüpfen.“
Erst am 17. Januar, eineinhalb Wochen vor dem Bürgerentscheid, kam Aiwanger zu einer Infoveranstaltung nach Mehring. Da war die Sache möglicherweise schon gelaufen. Denn nur 147 der 1424 Wähler – also nur zehn Prozent – kamen am Tag des Bürgerentscheids zur Stimmabgabe ins Rathaus. 90 Prozent bevorzugten Briefwahl, und das zum Teil schon Wochen vor dem Abstimmungstag. Aiwanger hatte ursprünglich schon am 8. Januar nach Mehring kommen sollen – doch das war der Montag, an dem die Bauerndemos begannen. Da bevorzugte der Wirtschaftsminister doch den großen Auftritt: Landshut, München, Karpfham, Schwandorf – vier Auftritte, vier Reden. Fürs kleine Mehring sagte er ab.
Der Angegriffene will jetzt retten, was zu retten ist. Er sei ja erst seit Kurzem für die Staatsforsten zuständig, sagt Hubert Aiwanger. „Wir müssen jetzt neues Vertrauen aller Beteiligter aufbauen.“ Er will sich mit der Bürgerinitiative „Gegenwind“ treffen, die den Bürgerentscheid in Mehring vorangetrieben hat und jetzt das Gleiche in Marktl und Haiming plant. Dass in der BI neben ehrlich Besorgten auch AfD-Sympathisanten und ideologische Schwurbler versammelt sind, wie eine Recherche des Online-Portals „Volksverpetzer“ schon im vergangenen Jahr zeigte, schreckt ihn nicht. „Muss mich jetzt mit meiner neuen Zuständigkeit kümmern“, funkt er per SMS.