Tod im Kinderheim: Die große Schuldfrage

von Redaktion

Hof/Wunsiedel – Der Tod der zehnjährigen Lena in einem Kinderheim im oberfränkischen Wunsiedel löste vergangenes Jahr große Bestürzung aus. Mitarbeiter hatten das Mädchen am Morgen des 4. April tot und halbnackt im Bett gefunden. Die Ermittlungen hatten ergeben, dass Lena vergewaltigt worden war. Angeklagt ist der 26-jährige Müllmann Daniel T. An der Tat beteiligt gewesen sein soll ein Elfjähriger, der jedoch strafunmündig ist. Die Ermittler gingen davon aus, dass er Lena getötet hatte. Vor dem Landgericht Hof schoben sich der Müllmann und der Elfjährige gestern gegenseitig die Schuld an Lenas Tod zu.

In Hand- und Fußfesseln wurde der kahlrasierte Daniel T. in den Schwurgerichtssaal geführt. Er gestand, wegen finanzieller Probleme fünfmal in Baucontainer und Wohnungen eingestiegen zu sein und Elektrogeräte gestohlen zu haben, bevor er am 3. April auf die Idee kam, auch in seinem früheren Heim nach Wertgegenständen zu suchen. In einem Zimmer im Erdgeschoss habe ihn dann der ElfJährige überrascht: „Ohne Angst sprach er mich an, ich sei doch der Müllmann“, schilderte Daniel T. Sofort habe er ihn in ein sexuelles Gespräch verwickelt und ihn animiert, ihm das Masturbieren beizubringen. Aus Furcht, sonst entdeckt zu werden, habe er das getan. Danach habe der Junge Lena dazugeholt, sie auf sein Bett gedrückt. Anschließend vergewaltigte T. das Mädchen mit seinem Finger. „Das Mädchen wehrte sich. Ich verließ das Haus schnell wieder über das Badezimmerfenster.“

Kurz danach soll der Elfjährige Lena im Rahmen eines Streits mit einem LED-Band erdrosselt haben. „Das habe ich zu keinem Zeitpunkt gewollt. Ich habe auch nicht gedacht, dass er das tun würde“, sagte Daniel T. gestern aus. Ganz anders schilderte das der Anwalt des Elfjährigen. Der Bub ist strafunmündig, aber Nebenkläger. Er gilt als Geschädigter, weil sich der Angeklagte vor ihm selbst befriedigt haben soll. „Der Junge hat in seinen Vernehmungen mehrfach zur Sprache gebracht, dass der Angeklagte ihn dazu gezwungen hat“, sagte der Anwalt. Allerdings hatte der Elfjährige bei der Polizei widersprüchliche Angaben gemacht. Die Staatsanwaltschaft hält seine Aussagen deshalb nicht für glaubwürdig. Darum ist das Tötungsdelikt im Prozess nun nicht Teil der Anklage.

Dennoch könnte Daniel T. für eine mögliche Beteiligung an Lenas Tod verurteilt werden. Mit Spannung wird die Aussage des Elfjährigen erwartet. Er wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen.

Gestern schilderte eine Erzieherin, wie sie Lenas Leiche entdeckt hatte. „Sie lag im Zimmer eines Jungen auf dem Bauch auf dem Bett, obenrum bekleidet, unten nicht.“ Als sie merkte, dass das Mädchen eiskalt ist, rief sie den Notruf. Die Eltern von Lena nahmen nicht am ersten Prozesstag teil. Lenas Vater hofft, dass der Prozess auch Versäumnisse der Behörden aufklärt. „Mein Kind war in der Obhut der Behörden. Wo waren die Erzieher in dieser Nacht?“, fragt er.

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