Dorothea Homann leitet das Seniorenzentrum in Unterföhring im Kreis München. Dort werden 68 Bewohner von 65 Mitarbeitern betreut. Aktuell sind zwei Pflegefachkraft-Stellen unbesetzt. Es ist schwer, neue Mitarbeitende zu finden, sagt Homann. Ohne Kräfte aus dem Ausland würde es schon lange nicht mehr funktionieren. Aber das bedeutet viel Bürokratie.
Wie wichtig sind Pflegekräfte aus dem Ausland für Ihr Seniorenheim?
Sehr wichtig. Ohne sie geht es nicht. Von unseren 65 Mitarbeitern stammen 20 aus Deutschland. Die anderen haben 28 Nationalitäten. Alle sind seit langer Zeit bei uns.
Die Politik hat mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der Fast Lane versucht, die Einstellung von ausländischen Pflegekräften zu vereinfachen. Spüren Sie das?
Ich merke nichts davon. Erst neulich hatte ich einen Fall, über den ich nur den Kopf schütteln kann. Eine Frau aus Bosnien hat in Bayern die einjährige Ausbildung zur Pflegefachhelferin absolviert. Danach hatte sie sich bei uns um eine Stelle beworben. Ich hätte sie sofort gebraucht und wollte sie zum 1. November einstellen. Aber sie hat keine Zustimmungserklärung bekommen, da Bosnien kein EU-Land ist. Außerdem war die Begründung, Pflegefachhelfer sei kein Mangelberuf.
Sind Pflegehilfskräfte für sie genauso wichtig wie die Fachkräfte?
Ja, waren sie schon immer. Besonders der Pflegefachhelfer mit der einjährigen Ausbildung hat an Bedeutung gewonnen – durch die neue Personalbemessungsgrenze, die es seit Juli gibt. Noch gibt es eine Übergangszeit bis Ende 2025. Wir haben in unserer Einrichtung noch eine Fachkraftquote von 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent sind Pflegehelfer. Aber die meisten sind ungelernt. Sie haben Erfahrung, aber die einjährige Ausbildung nicht gemacht. Bisher war das nicht nötig Durch die Gesetzesänderung brauche ich künftig 25 Prozent ausgebildete Pflegefachhelfer, dafür wird der Anteil der Pflegefachkräfte kleiner. Aber auf dem Markt gibt es nicht genug Helfer mit der Ausbildung. Die Frau aus Bosnien wäre das gewesen.
Was machen die Pflegehilfskräfte?
Sie unterstützen die Pflegefachkräfte bei der täglichen Arbeit. Sie begleiten und betreuen die Senioren, dazu gehört die Hilfe bei der Körperpflege, dem An- und Auskleiden oder bei Toilettengängen. Sie dürfen aber keine Behandlungspflege machen. Also kein Insulin spritzen, kein Blutdruck oder Blutzucker messen oder Medikamente geben. Künftig dürfen langjährige Mitarbeitende ohne die einjährige Pflegefachhelferausbildung diese Aufgaben nicht mehr durchführen. Das wird schwer zu erklären sein. Viele sind nicht bereit, noch mal eine Ausbildung zu machen. Wenn wir bis zum Ende der Übergangszeit keine ausgebildeten Pflegehelfer vorhalten, entlastet die neue Personalbemessung die Pflegekräfte nicht – im Gegenteil.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen?
Weniger Bürokratie – sie ist nach wie vor das große Problem. Nicht nur reden, auch machen! Ausländische Pflegefachkräfte müssen jedes Jahr Formulare ausfüllen, um eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis zu bekommen. Das könnte man wirklich vereinfachen.
Wie haben Sie Ihre Pflegekräfte aus dem Ausland gefunden?
Es gab vor vielen Jahren eine Rekrutierungs-Kampagne in Bosnien. Danach lief es über Mundpropaganda. Aktuell arbeiten wir mit einer Agentur aus Rumänen zusammen und versuchen es über Social Media.
Wie reibungslos funktioniert es mit ausländischen Pflegekräften im Alltag?
Leider gibt es oft sprachliche Probleme. Besonders wenn die Menschen erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen sind. Einige Pflegekräfte sprechen miteinander in ihrer Muttersprache. Das ist für die Heimbewohner nicht angenehm. Wir bieten ausländischen Kräften Sprachkurse an und richten den Dienstplan danach aus. Auch bei der Wohnungssuche helfen wir. Wir haben elf Personalwohnungen und würden gerne noch mehr anmieten, um sie neuen Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen. Ein Pflegehelfer, der 2000 Euro netto verdient, kann sich eben keine Miete von 1500 Euro leisten.
Künftig wird der Personalmangel in der Pflege noch größer werden…
Ich bin seit 2010 als Heimleiterin in der Altenpflege, schon damals hat man vor dem Fachkraftmangel gewarnt. Es hat sich seitdem kaum etwas getan. Wichtig ist, dass sich Mitarbeitende wohlfühlen und jeden Tag gerne diese herausfordernden Tätigkeiten bewältigen. Hier bin ich als Arbeitgeber gefordert.
Wird die Altenhilfe von der neuen Generalistik-Ausbildung profitieren?
Das glaube ich nicht. Profitieren werden vor allem die Krankenhäuser. Das Image der Altenpflege müsste aufgebessert werden. Es ist ein toller Beruf mit Zukunft, in dem man auch als Frau große Aufstiegschancen hat. Leider wird aber viel zu negativ darüber gesprochen.
Interview: Katrin Woitsch