München – Es waren Schreckmomente, die viele Passagiere der beteiligten Züge wohl lange nicht vergessen werden. Am 17. November vergangenen Jahres überfuhr die Regionalbahn RB 59 139 auf dem Weg nach München ein Halt zeigendes Ausfahrsignal, blieb daher nicht, wie eigentlich vorgesehen, am Bahnhof stehen, sondern kam erst kurz vor dem Hauptgleis zum Stehen.
Höchstwahrscheinlich hatte der Lokführer, der zusammen mit einem Auszubildenden (Quereinsteiger) im Führerstand saß, den Bremsweg unterschätzt – eventuell, dazu laufen noch Ermittlungen, lag Laub auf den Gleisen. Er versuchte, durch Zugabe von Sand den Bremsweg zu verkürzen. Als der Zug schließlich zum Stehen kam, ragte der Führerstand so weit ins Nachbargleis hinein, dass der vorbeifahrende ICE 703 auf dem Weg nach München an der Regionalbahn entlangschrammte. Sieben Menschen wurden bei der sogenannten Flankenfahrt leicht verletzt.
Nach zweieinhalb Monaten hat die Bundespolizei Nürnberg nun Hinweise, dass der Unfall „auch“ auf menschliches Versagen zurückzuführen ist. Gegen den Fahrdienstleiter am Bahnhof Reichertshausen sei ein Ermittlungsverfahren wegen Gefährdung des Bahnverkehrs, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr sowie fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet worden. Es bestehe der Verdacht, dass der 55-Jährige „entgegen den innerbetrieblichen Vorschriften den sogenannte Durchrutschweg für die Regionalbahn vorzeitig auflöste“. Am Ende des Bahnsteiggleises, auf dem die Regionalbahn unterwegs war, gibt es eine Flankenschutzweiche. Sie soll verhindern, dass der Zug unkontrolliert aufs Hauptgleis gerät. Sobald der Durchrutschweg im Bahnhof gestellt ist, schalten Vor- und Hauptsignal der Hauptstrecke einige Kilometer vor dem Bahnhof auf Halt. In diesem Fall kam es wohl zu einer ungünstigen Konstellation. Das erste Drehgestell der Regionalbahn zeigte Richtung Hauptgleis, das hintere Drehgestell in Richtung eines Stummelgleises mit Prellbock. Die Weiche hatte sich nach Stillstand der Regionalbahn umgestellt, der Durchrutschweg dadurch „aufgelöst“. Der ICE bekam daher freie Fahrt und näherte sich mit hohem Tempo. Entweder hatte der Fahrdienstleiter falsch reagiert – oder aber (was ihn entlasten würde) Sand auf dem Gleis führte zu einer Fehlschaltung. Das sei „Gegenstand der weiteren Ermittlungen“, teilte die Bundespolizei mit.