Freising – Irgendwann fielen Schüsse aus einer Schreckschusspistole, Feuerwerkskörper explodierten, Menschen kletterten auf ein Hallendach. Dann wurde es der Polizei zu viel und die Beamten beendeten das riesige Treffen der sogenannten Auto-Poser-Szene am vergangenen Samstagabend auf einem Parkplatz in Freising. 1500 Szene-Anhänger hatten sich dort mit ihren frisierten Autos getroffen.
Bei den Treffen geht es darum, sich auszutauschen und die Autos herzuzeigen. Das erfolgt über gewisse Rituale, zum Beispiel: „Donuts“. Bei diesem Drift-Manöver drehen die Reifen durch, das Auto dreht sich im Kreis. Oder: „Burnouts“. Dabei geben die Fahrer im Stand Gas. Die Reifen drehen durch, es ist laut und es stinkt. Und es kann gefährlich sein für die Zuschauer, denn Absperrungen oder Sicherheitszäune gibt es natürlich nicht. Bei dem Treffen in Freising geriet ein Auto außer Kontrolle, es fuhr in die Zuschauermenge und verletzte ein 16-jähriges Mädchen. Eine andere Frau brach sich den Mittelfußknochen.
Die Dimension des Freisinger Treffens am Wochenende ist für die Polizei relativ neu. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord gab so etwas erst drei Mal – ansonsten fanden nur kleinere Treffen von Tuningclubs statt. Im Bereich Oberbayern Süd heißt es, dass die Zahl der Treffen seit Oktober 2023 in dieser Ausprägung und Größenordnung zugenommen hat.
Erst am 16. Dezember 2023 war in Rosenheim ein Treffen eskaliert. 3000 Personen hatten sich mit hundert Fahrzeugen verabredet. Ein Teil der Gruppe startete in Freilassing, es wurden immer mehr, schließlich sammelten sich die Auto-Poser auf einem Parkplatz in Rosenheim. Der Verlauf war ähnlich wie in Freising: Pyrotechnik, Schüsse. Die Beamten berichten von einer „allgemein aggressiven und aufgeheizten Stimmung der Poser gegenüber den Polizeikräften“. Die Polizei stellte drei Fahrzeuge sicher, gegen neun Personen wurde ein Verfahren nach dem Sprengstoffgesetz eingeleitet, Platzverweise wurden ausgesprochen. Daniel Katz vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd teilt mit, dass es insgesamt 51 Anzeigen gab. Wie Katz sagt auch sein Kollege im Norden, Reinhard Kolb, dass gegen das Treffen an sich nichts einzuwenden sei. „Aber das Drumherum ist ein Problem“, sagt Kolb. Erfahrungsgemäß gebe es immer wieder einzelne, die „sich ausgesprochen unverantwortlich verhalten“.
Nach Kenntnis der Beamten sind die Auto-Poser in der Regel Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die weibliche Klientel sei zwischen 16 und 25 und nehme eher die „Zuschauer- oder Mitfahrerrolle“ ein. Die Personen kommen aus ganz Bayern und allen Schichten – vereinzelt nähmen auch befreundete Gruppierungen aus Österreich oder einzelne Besucher aus anderen Bundesländern teil. Sie verabreden sich über die Sozialen Medien. Bekommt die Polizei davon Wind, kann sie sich auf den Einsatz vorbereiten. Im Polizeipräsidium Oberbayern Nord gibt es besonders geschulte Beamte, die sich mit getunten Autos auskennen. Sie können auch beurteilen, ob ein aufgemotztes Fahrzeug noch verkehrssicher ist. Falls nicht, sagt Reinhard Kolb, wird das Fahrzeug sichergestellt. Oft kommt es bei der Anreise auch zu unerlaubten Rennen.
Im Idealfall lösen die Beamten diese großen Treffen schon vor der Zusammenkunft auf – durch Verkehrskontrollen auf den Zufahrtsstrecken. Denn die Konfrontation mit tausenden Gleichgesinnten, die sich gegen Einsatzkräfte solidarisieren, ist für die Beamten gefährlich. In Rosenheim wurden Polizisten beleidigt und attackiert, zwei Beamte erlitten ein Knalltrauma durch gezündete Pyrotechnik.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt, dass die Polizei bei Gesetzesverstößen konsequent einschreite: „Für Verkehrsrowdys wie am vergangenen Wochenende in Freising fehlt mir jegliches Verständnis. Dass dabei zwei junge Frauen verletzt wurden, verdeutlicht den Irrsinn.“