München – „Bayern will Ausflügler steuern“ – mit dieser Schlagzeile berichtete unsere Zeitung am 18. Juli 2020 über ein ehrgeiziges Projekt des Wirtschafts- und damaligen Tourismusministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Aiwanger kündigte in dem ersten Corona-Sommer den sogenannten Ausflugsticker für ganz Bayern an. In Echtzeit sollten Ausflügler im Internet über volle Parkplätze und Staus, Wartezeiten an Sehenswürdigkeiten oder Bergbahnen informiert werden. Im Jahr drauf wurde das Projekt mit dem Tourismuspreis des ADAC ausgezeichnet. Kein Wunder, das Thema ist wichtig, vor allem in Oberbayern: Verkehrschaos und Besuchermassen sorgen immer wieder für Ärger in den Urlaubsregionen – bei Besuchern und Einheimischen.
Doch knapp vier Jahre nach dem Start des Ausflugstickers fällt die Bilanz mager aus. So mager, dass sich einige Beteiligte über mangelndes Engagement des zuständigen Ministeriums wundern. „Da wäre schon noch Luft nach oben, zum Beispiel, was die Werbung für den Ausflugsticker angeht“, sagt Kathrin Hortmanns von der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (gwt). Die gwt würde vor Ort versuchen, den Ausflugsticker so bekannt wie möglich zu machen – aber Sinn macht das Internetportal natürlich nur, wenn zum Beispiel auch die Münchner drauf schauen, bevor sie sich Richtung Starnberger See aufmachen.
Auch technisch ist die Umsetzung schwierig. Gedacht war es eigentlich so: An Parkplätzen beispielsweise werden Sensoren angebracht, die Autos zählen – und die Belegung direkt an den Ausflugsticker melden. Doch in der Realität sieht es häufig anders aus. „Die Ausstattung mit Sensoren ist von den Kommunen leider nicht so angenommen worden wie erhofft“, sagt Kathrin Hortmanns für den Kreis Starnberg. „Einige sind sehr ambitioniert, andere nicht so sehr.“
Weil längst nicht alle Kommunen ihre Parkplätze aufgerüstet haben, gibt es nun –wenn überhaupt – ganz unterschiedliche Methoden, um Besucherströme zu messen. Mancherorts zählte sogar der Bürgermeister persönlich Autos und gab die Daten im Ausflugsticker ein, so war es eine Weile an den Osterseen im Kreis Weilheim-Schongau. Am Percha Beach am Starnberger See, berichtet Hortmanns, verwenden sie QR-Codes. Wer die Parkgebühren kassiert, zählt Autos. Je nach Belegung wird mit dem Handy einer von drei QR-Codes gescannt: leer, halbvoll, voll. Die Info geht direkt an den Ausflugsticker.
Die Technik kostet natürlich Geld. Ein Beispiel: Die Gemeinde Kochel am See stattete drei Parkplätze mit Sensoren aus, um das Problem des oft heillos überfüllten Walchenseegebiets zu lösen. Kosten: 60 000 Euro. 40 000 Euro übernimmt der Bezirk Oberbayern.
Viele Gemeinden wursteln ohne Sensoren weiter vor sich hin. Wann wird gemeldet? Wie oft am Tag? Dafür gibt es keine Vorgaben. So ist ein Flickenteppich entstanden, der wenig hilfreich ist. Das sagt auch Miriam Hördegen vom Tourismus Oberbayern München e.V. (TOM). Ohne einheitliche Datengrundlage habe der Ausflugsticker keine Aussagekraft. Der TOM hat daher am Montag am Schliersee ein Pilotprojekt zur Besucherlenkung vorgestellt, das die Fehler des bisherigen Projekts beheben soll. Name: „Projekt Smarte Tourismus Region“. Es ist im Prinzip der Ausflugsticker in klein – Echtzeitdaten und mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellte Prognosen zeigen an, wie voll die Region in den nächsten Stunden sein wird. Zugleich werden ihm attraktive Alternativen vorgeschlagen. Seit Ende 2023 steht die Technik an Parkplätzen und Straßen bereit, der Freistaat schießt 464 800 Euro zu.
Wann der Ausflugsticker tatsächlich in ganz Bayern rundläuft, ist derzeit ungewiss. Zur Präsentation des Schliersee-Projekts am Montag reiste übrigens auch Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) an. Die ist seit der Kabinettsumbildung im November 2023 für den Tourismus zuständig.