Landshut – Eine 51-Jährige steht in Landshut vor Gericht, weil sie dabei geholfen haben soll, Flüchtlinge über die Ägäis einzuschleusen, einige von ihnen ertranken dabei. Die Angeklagte soll die Lebensgefährtin des mutmaßlichen Drahtziehers der Schleuserbande sein. Am ersten Prozesstag weinte die aus dem Iran stammende Frau. Über ihren Verteidiger ließ sie die Tatvorwürfe bestreiten und erklärte, sich lediglich deshalb am Strand aufgehalten zu haben, weil sie selbst geschleust werden wollte. Das habe ihr Verlobter aber verhindert.
Das Verfahren ist Teil eines Gesamtkomplexes mit mehreren Tatverdächtigen, in dem es um vier Schleusungsfahrten 2015 und 2016 mit Booten aus der Türkei nach Griechenland geht. Insgesamt wurden 259 Menschen geschleust, von denen 70 starben. Die angeklagte Frau soll an mindestens zwei Fahrten beteiligt gewesen sein. Bei einer kamen nach bisherigen Ermittlungen 13 von 29 Bootsinsassen ums Leben, ein Kind gilt seither als vermisst. Die Behörden gehen davon aus, dass der Dreijährige auch gestorben ist. Die Flüchtlinge sollen für die lebensgefährliche Fahrt 2500 Euro pro Person bezahlt haben. Der Vorsitzende Richter Ralph Reiter sprach von einer Tragödie. Den Ermittlungen nach habe die Frau zahlreiche Beihilfehandlungen getätigt, etwa Autofahrten. Vor Gericht gab sie an, keinen Führerschein zu haben.
60 bis 70 Zeugen könnten in dem Verfahren gehört werden. Die Angeklagte könnte den Zeugen eine Aussage ersparen, so der Richter. Am nächsten Verhandlungstag sei ein Mann geladen, der drei Kinder verloren habe.
Ein Polizeibeamter aus Dresden berichtete gestern, wie der Familienvater im Februar 2016 zur Polizei gekommen sei und von der Bootsfahrt und dem Tod seiner Kinder erzählt habe. Der Mann habe gesagt, die griechischen Behörden hätten lediglich den Kapitän befragt, aber nichts gegen die Schleuser unternommen. Nachdem das Boot gekentert sei, sei der Mann nach eigener Aussage etwa drei Stunden im Wasser gewesen – bis zu seiner Rettung. Der Schleuser soll vor Fahrtbeginn gesagt haben, die Insassen bräuchten keine Schwimmwesten tragen, weil es sich nicht um ein Schlauchboot, sondern um ein Fischerboot handele. Bei einer weiteren Vernehmung des Flüchtlings durch die Kripo habe der Mann die Angeklagte erwähnt. Sie habe den mutmaßlichen Anführer der Schleusergruppe häufig begleitet.
Der Vorsitzende Richter verwies zu Verhandlungsbeginn auf ein Gespräch unter den Verfahrensbeteiligten Ende November, demzufolge die Schwurgerichtskammer eine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit sah. Der Strafrahmen liege bei drei Jahren Haft oder mehr, sofern man davon ausgehe, dass die Frau um die Gefährlichkeit der Bootsfahrten gewusst habe. Der Staatsanwalt habe angesichts der Tatfolgen eine fünfjährige Haftstrafe für angemessen gehalten.
Das Verfahren findet in Landshut statt, weil die Frau bei ihrer Auslieferung nach Deutschland über den Flughafen München einreiste und dieser in das Zuständigkeitsgebiet der Justiz in Landshut gehört. Es sind zunächst vier weitere Verhandlungstage vorgesehen. Der Prozess soll am 20. Februar fortgesetzt werden. dpa