Immer mehr Notrufe ohne Notfall

von Redaktion

VON BEATRICE OSSBERGER

München – In Bayern wählen immer mehr Menschen die 112, obwohl es sich nicht um einen Notfall handelt. Im Jahr 2023 gingen laut bayerischen Innenministerium rund 3,5 Millionen Notrufe über die 112 ein. Das sind knapp 500 000 mehr Anrufe als im Vorjahr. Gleichzeitig aber ging die Zahl der Rettungseinsätze um etwa 25 000 auf rund 1,91 Millionen zurück.

Die Statistik des Innenministeriums umfasst alle 26 integrierten Leitstellen in Bayern. Hier arbeiten 1150 Mitarbeiter. Nicht erfasst wurden in der Statistik Kranken- und Patiententransporte sowie Feuerwehreinsätze.

Auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK), das nach eigenen Angaben acht der Leitstellen betreibt, verzeichnete einen spürbaren Zuwachs an Notrufen. Im Gegensatz dazu sei die Einsatzzahl um etwa vier Prozent gesunken.

BRK-Landesgeschäftsführerin Elke Frank hat eine Erklärung für die beiden gegenläufigen Trends. „Immer mehr Menschen wenden sich an den Notruf 112, obwohl kein tatsächlicher Notfall vorliegt“, sagte sie. In vielen Fällen sei die 116 117 die geeignetere Nummer. „Der Notruf 112 ist dann die richtige Wahl“, so Frank weiter, „wenn es um akute lebensbedrohliche gesundheitliche Probleme geht, wie etwa ein Herzinfarkt, Schlaganfall oder Beinbruch – oder bei einem Brand, Verkehrsunfall oder sonstigen Unfall.

Für die Mitarbeiter in den Leitstellen ist die Zunahme an Notrufen eine Herausforderung, müssen sie doch entscheiden, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt und welche Rettungsmittel dann benötigt werden. „Doch auch wenn die Mitarbeiter erkennen, dass kein Notfall vorliegt, können sie den Anrufer nicht ohne Weiteres abweisen“, sagt BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi. Beharre der Anrufer darauf, dass es ein Notfall sei, müssten in vielen Fällen Hilfen mobilisiert werden, obwohl diese nicht nötig seien. Und die dann an anderer Stelle, nämlich bei einem echten Notfall, fehlen.

„Für Disponenten gibt es bisher keine Rechtssicherheit, den Einsatz von Rettungsmitteln abzulehnen“, sagt Taheri-Sohi. Im schlimmsten Fall würde sich Mitarbeiter der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen. Das BRK fordert deshalb Rechtssicherheit für die Disponenten.

Wichtig ist dabei die präzise Dokumentation des Anrufs. Schon heute unterstützen computergestützte und standardisierte Abfragen die Disponenten. „Die Dokumentation ist der Weg zur Rechtssicherheit“, sagt Taheri-Sohi.

In allen Leitstellen werden zudem mehrere Computer-Anwendungen geprüft, die den Disponenten helfen sollen, die Dringlichkeit des Anrufs rechtssicher zu bewerten. In der Leitstelle Nürnberg kommt dabei auch künstliche Intelligenz in Form einer stetig lernenden Software zum Einsatz. Verlaufen die Tests erfolgreich, sollen die Anwendungen allen Leitstellen in Bayern zur Verfügung stehen, und, so hofft Taheri-Sohi, für Rechtssicherheit sorgen und die Anzahl unnötiger Einsätze weiter verringern.  mit dpa

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