„Kirche hat in der Missbrauchs-Aufarbeitung versagt“

von Redaktion

INTERVIEW mit Regionalbischof Thomas Prieto Peral

München – Am Sonntag wird Thomas Prieto Peral, der neue Regionalbischof von München und Oberbayern, in der Münchner St. Lukaskirche in sein Amt eingeführt. Wir sprachen mit ihm über Kirche in schwierigen Zeiten, in der sich in einem Reformprozess die Gemeinden bei sinkenden Mitglieder- und Kirchensteuerzahlen neu aufstellen müssen.

Herr Prieto Peral, wie kommen Sie zu diesem Namen – per Heirat?

So ist es. Meine Frau stammt aus Spanien. Wie alle Spanierinnen und Spanier hat sie einen Doppelnamen, den jeder Ehepartner in der Ehe behält. Die Kinder haben dann eine Kombination aus dem ersten Namen der Mutter und dem ersten Namen des Vaters. Meine Frau wollte deshalb ihren Namen nicht aufgeben – und ich wollte gerne einen gemeinsamen Familiennamen. So führe ich jetzt den Namen meiner Frau.

Sie haben als Planungsreferent den Reformprozess in der evangelischen Landeskirche gesteuert. Müssen Sie das jetzt ausbaden?

(Lacht) In gewisser Weise – aber ausbaden wäre zu negativ. Ich bin froh, dass ich es noch so weit vorwärtsbringen konnte, dass eine deutliche Mehrheit unserer Gemeinden und Einrichtungen richtig gut plant. Jetzt sehe ich, was alles entsteht, wenn man etwa die Zusammenlegung von Gemeindezentren als Chance nutzt, und dass eine Konzentration auf „weniger“ ermöglicht, sich auf Wichtiges zu fokussieren. Andererseits haben wir alle Druck, mit diesen Veränderungen umzugehen – von daher muss ich es ausbaden, wenn ich jetzt Mitglied der Kirchenleitung bin. Ich muss dafür geradestehen – und das tue ich auch.

Wo sehen Sie das größte Problem?

In dem allgemeinen Stress, mit Veränderungen umgehen zu müssen, wo so gar nichts mehr trägt, wie es scheint. Vom persönlichen Leben bis zur weltweiten Sicherheitsarchitektur – alles schwimmt weg. Und in dieser Zeit Kirche umzubauen, den Ort, wo die Seele ihren Frieden finden sollte, das ist schon schwierig.

Nun hat ja auch die Missbrauchsstudie die Kirche in Turbulenzen gestürzt. Wie kann Kirche den Betroffenen gerecht werden?

Indem wir noch konsequenter als bisher den Blick von Betroffenen zum Maßstab machen. Das Ergebnis der Studie ist für mich auch eine spirituelle Herausforderung: Wir haben Missbrauchsbetroffenen in der Vergangenheit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Kirche ist bei ihrem Auftrag, wenn sie für andere da ist – und da hat sie hier klar versagt. Diesen schmerzlichen Heilungsprozess, den haben uns die Betroffenen jetzt ermöglicht. Wir müssen ihre Erfahrungen zum Maßstab für unsere Empathie machen.

Sie konnten in der katholischen Kirche sehen, was zu tun ist. Warum wurde der Missbrauch so lange kleingeredet in der EKD?

Ich war bei den Debatten in der EKD nicht dabei. Ich kann es nur von außen betrachten und jetzt versuchen, es besser zu machen. Wir müssen eingestehen, dass unsere Organisation so tickt, dass sie versucht, sich selbst zu schützen. Das ist leider so. Vielleicht haben wir uns eingeredet, wir seien besser als die Katholiken. Das hat uns zusätzlich gelähmt. Sich wirklich anrühren zu lassen von den Geschichten der Menschen ist der einzige Weg, der es uns möglich macht, das System zu ändern. Das sehe ich als meine Aufgabe in der Kirchenleitung: dass die Betroffenen, die Leid erfahren haben, gehört werden, ernst genommen werden, zu ihrem Recht kommen und dass Strukturen geändert werden, um Kirche so sicher wie möglich zu machen.

Sie haben von der Verunsicherung der Menschen gesprochen – die allgemeine Kriegsangst. Ist Kirche hier noch gefragt?

Wenn wir eine Aufgabe haben, dann ist es die, in einer Zeit, wo einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird, einen anderen Grund fürs Leben zu legen. Wenn Putin sich aufspielt zum Herrn über Tod und Leben, indem er Nawalny umbringen lässt, dann setzen wir Christen dagegen: Kein Mensch ist Herr über Tod und Leben! Im Gegenteil: Der Tod ist überwunden durch Jesus Christus, um das Leben stark zu machen. Ich lasse mir von den Putins dieser Welt keine Angst machen. Ich will den angeblichen Herren über den Tod, die sich in allen Zeiten der Menschheit aufgespielt haben, keine Macht geben. Diese Art von Macht lebt von Angst. Glauben ist eine Botschaft gegen die Angst.

Interview: Claudia Möllers

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