München – Fünf Wochen vor Ostern fegt ein Sturm der Entrüstung durch so manche Bauernstube: Entfacht hat ihn ein Kinderbuch. Die Komikerin Anke Engelke hat im Auftrag des Stuttgarter Thienemann-Esslinger Verlags den 100 Jahre alten Kinderbuch-Klassiker „Die Häschenschule“ neu interpretiert. Bayerischen Landwirten und Landfrauen stehen die Haare zu Berge: Aus dem bösen Fuchs im Original wird ein veganer Mitschüler, die Gefahr für die Tiere geht von Gift verspritzenden Bauern aus, von lebensbedrohlichen Mähdreschern, die kleine Tiere zermalmen, und von Jägern.
Im Original von 1924 mit den Versen von Albert Sixtus und den liebevollen Illustrationen von Fritz Koch-Gotha machen sich Hasenhans und Hasengretchen auf den Weg zur Schule, in der sie vom gestrengen Lehrer vor der Gefahr durch den Fuchs gewarnt werden. „Die neue Häschenschule“, empfohlen für Kinder ab vier Jahren, löst auf dem Land so etwas wie einen Kulturkampf aus. Anke Engelke, die für ein Gespräch mit unserer Zeitung nicht zur Verfügung stand, sollte den Kinderbuch-Klassiker modernisieren. Feindbild für Hasenkinder sind nun in teils holprigen Versen Landwirte und Jäger: „Es ist traurig, aber wahr: Menschen sind eine Gefahr!“, lässt die Lehrerin die Hasenkinder und den Veganer-Fuchs wissen. Vor einem Getreidefeld steht ein Warnschild „Achtung Gift“, dazu dichtet TV-Star Engelke: „Schaut, das Schild: Ein Warnhinweis, damit ein jeder sofort weiß: Hier bloß nix essen, nix berühren, sonst bekommt man Gift zu spüren!“
Zur heftigen Kritik vonseiten der Landwirte, die gerade mit Demonstrationen für mehr Anerkennung kämpfen, sagte Engelke der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich möchte den Kindern auch nicht das Bild nehmen, dass es schön wäre, später Bauer zu werden. Aber den Menschen zum Buhmann zu machen, das musste ich für die Geschichte in Kauf nehmen.“ Sie selber habe gehadert mit dem pädagogischen Dreh, wonach Bauern und Maschinen zum Feind gemacht werden, räumt die Autorin ein. „Dem Team vom Verlag war wichtig, dass es auch in der neuen Version einen Konflikt oder eine Gefahr gibt. Also haben wir entschieden, die frische Freundschaft von Hase und Fuchs ins Gefahrenzentrum zu packen. Der Schrecken ist jetzt eine große Mähmaschine.“
Bayerns Landesbäuerin Christine Singer fasst sich ans Hirn: „Ein veganer Fuchs? Wo gibt es denn so etwas? Der Fuchs ist ein Raubtier und Fleischfresser.“ Der sei wahrscheinlich erfunden worden, „um vegane Ernährung als favorisierte Ernährungsform ins Gespräch zu bringen“. Dabei warnten wissenschaftliche Institutionen vor einer veganen Kinderernährung, empört sich die Landesbäuerin, die sich seit Jahren für eine ausgewogene Ernährung gerade von Kindern einsetzt. Dass Bauern als „Giftspritzer und Buhmänner“ dargestellt werden, stigmatisiere die Landwirte bewusst. Christine Singer befürchtet, dass Bauernkinder in der Schule gemobbt werden könnten.
Auch im Netz überschlagen sich aufgebrachte Reaktionen von Landwirten. Auf der Facebook-Seite der Autorin werfen ihr Kritiker Indoktrinierung vor, das Buch führe Kinder in die Irre. Auf Amazon schimpft eine Nutzerin: „Oh je, diese totale Verdrehung soll die neue Schule/Pädagogik sein? Die wahre Gefahr für Leib und Leben zu einem Freundbild stilisieren und die Bauern, die für die Nahrung sorgen, zum Feind erklären? Wie tief kann man sinken, Frau Engelke?“ Das Kinderbuch der Komikerin könne die Spaltung der Gesellschaft zwischen Stadt und Land vertiefen.
Leser ärgern sich auch darüber, dass Mähdrescher den Kindern als Mordmaschinen präsentiert werden. Landwirte prüfen in der Regel vor dem Mähen, ob sich in dem Feld Tiere befinden. Manchmal übernehmen das Jäger mit Hunden, andere Landwirte schicken Drohnen über das Feld und suchen es mit Wärmebildkameras ab. Doch es musste ja ein Feindbild her. „Wie Fuchs und Hase Freunde wurden“ ist der Untertitel der Neufassung. Dass Bauern und Anke Engelke Freunde werden, dürfte mit diesem Buch wohl unwahrscheinlich sein. CLAUDIA MÖLLERS