Der wiedergefundene Beatles-Bass

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Baiersdorf – Die Sensation platzt mitten in einen gemütlichen Fernsehabend. Nick Wass sitzt mit seiner Frau auf dem Sofa zu Hause in Franken, als sein Handy klingelt. Am Telefon ist der Manager von keinem Geringeren als Paul McCartney. Wass kennt ihn schon lange – an diesem Abend bekommt er eine Nachricht von ihm, auf die er schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte: Der Bass ist wieder da. „Ich war sprachlos“, sagt der 69-Jährige.

Wass hat die vergangenen fünf Jahre seines Lebens der Suche nach diesem besonderen Musikinstrument gewidmet. Der gebürtige Engländer hatte früher für die Firma Höfner im fränkischen Baiersdorf gearbeitet. Die hatte einst den Höfner-Bass, Modell 500/1, gebaut, den Paul McCartney 1961 in einem Hamburger Gitarrengeschäft kaufte. Er wurde für den Beatles-Bassisten noch etwas aufgehübscht, berichtet Thomas Jordan, Verkaufsleiter bei Höfner. Der Bass wurde lackiert und bekam einen anderen Rahmen. Dann begleitete er die Beatles durch ihre erfolgreichsten Jahre. Zu hören ist er zum Beispiel in den Songs „Love me do“, „Twist and shout“ oder „She loves you“. Bis zur Trennung der Beatles spielte McCartney auf diesem Bass – allein über 250 Mal im legendären Cavern Club in Liverpool. Am 10. Oktober 1972 verschwand der Bass jedoch spurlos. Er wurde McCartney aus dem Kofferraum gestohlen. Der Dieb wurde nicht gefasst.

Ein Beatles-Fan wie Nick Wass kann so etwas natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Die Frage, was aus dem Bass wurde, lässt ihn einfach nicht los. 2018 richtet er eine Internetseite ein: thelostbass.com. Er hofft auf Hinweise, weiß aber: „Die Chance, den Bass wiederzufinden liegt wohl bei zehn Prozent.“ Über 100 Menschen schicken mögliche Spuren oder Vermutungen, 600 Beatles-Fans bieten ihre Hilfe an. Vorwärts geht die Suche aber erst 2023. Ein Ehepaar hat einen Hinweis zum Diebstahl, der mit einem anderen Hinweis übereinstimmt, den Wass und sein Team bereits bekommen hatten. In mühevoller Detektivarbeit finden sie heraus, an wen der Bass weiterverkauft wurde. Die Spur führt zu einem Pub-Besitzer in London. Wass gibt viele Interviews, in der Hoffnung, die Familie des Mannes damit zu erreichen. Und tatsächlich – ein Verwandter des Pub-Besitzers sieht ein Interview in den BBC News und kontaktiert Paul Cartneys Management. Er glaube, sagt er, der verschollene Bass befinde sich auf seinem Dachboden.

Nun kommt wieder Nick Wass ins Spiel. Als Gitarren-Experte kennt er das Instrument in- und auswendig. Außerdem hat er ein paar Jahre für Paul McCartney gearbeitet. Der ist grade in L.A. – und kann fast nicht glauben, dass sein Bass wirklich gefunden ist. Also ruft er bei bei Wass in Franken an und bittet ihn, nach London zu fliegen und sich das Instrument anzuschauen. Ein paar Tage später hält der 69-Jährige den 51 Jahre lang verschollenen Höfner-Bass in seinen Händen. „Er ist es zweifellos“, sagt er immer noch überwältigt. „Was für eine Nachricht für alle Beatles-Fans auf der Welt.“ Die Jahre auf dem Dachboden haben Spuren hinterlassen. Der Bass ist nicht bespielbar. Aber Nick Wass winkt ab: „Ein Kinderspiel, ihn zu reparieren.“

Damals, 1961 in Hamburg, zahlte der junge Musiker 287 Mark für die Gitarre. Heute ist der Bass zehn Millionen Euro wert. Deshalb bleibt es ein Geheimnis, wer ihn reparieren darf.

Die Sensationsnachricht hat jedenfalls schnell auch Wass’ ehemalige Kollegen bei der Firma Höfner erreicht. „Schon als Paul McCartney in den 60ern mit unserem Bass auf der Bühne stand, kamen viele Anfragen zu diesem Instrument“, erzählt Verkaufsleiter Jordan. Nun ist das Modell wieder sehr gefragt. „Aber lange nicht so wie damals.“

Nick Wass hat auf seiner Webseite diese unglaubliche Geschichte aufgeschrieben – für alle, die bei der Suche geholfen haben. Er hat seitdem zahlreiche Anfragen bekommen von anderen Menschen, die ihre Lieblingsinstrumente verloren haben. Aber nun hat die Detektivarbeit ein Ende, sagt er und lacht. „Das war ein einmaliges Projekt, jetzt widme ich mich meinem Ruhestand.“ Er hofft, dass er bald dabei zusehen darf, wie Paul McCartney mit seinem Höfner-Bass wieder auf einer Bühne steht. Den passenden Song hätte er ja: With a litte help from my friends.

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