Gefährliche Zecken-Zone Oberbayern

von Redaktion

VON BEATRICE OSSBERGER

München – Früher hatte man zumindest in den kalten Monaten Ruhe vor den Blutsaugern. Doch seit die Winter immer milder werden, sind die Zecken auch in dieser Jahreszeit aktiv. In Bayern gibt es bereits vier Fälle von FSME, der von Zecken übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis, die in schweren Fällen zu bleibenden neurologischen Ausfällen führen kann und in einem Prozent der Fälle tödlich verläuft.

Prof. Dr. Gerhard Dobler, Oberfeldarzt am Münchner Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, hat einige dieser Fälle untersucht. Denn neben seiner Arbeit als Leiter der Abteilung Virologie leitet er auch das nationale Konsiliarlabor für FSME, was bedeutet: Alle strittigen FSME-Fälle aus Deutschland bekommt er auf den Labortisch. Nicht alle der vier Fälle aus Bayern stammen aus diesem Jahr. Bei drei Fällen ist er sich sicher, dass die Infektion im Dezember stattgefunden hat. „Im Durchschnitt dauert es von der Infektion bis zur Meldung drei Wochen“, erklärt er.

Der Virologe, einer der renommiertesten Zecken-Experten Deutschlands, schlüsselt die Statistik deshalb so genau auf, weil er etwas genervt ist von den Meldungen, dass aufgrund dieser frühen Fälle nun ein katastrophales Zeckenjahr drohe. „Wissenschaftlich lässt sich noch keine Aussage dazu treffen, wie sich dieses Jahr entwickeln wird“, erklärt er. „Die frühe Aktivität der Zecken sagt überhaupt nichts dazu aus.“ Dies hänge von ganz anderen Faktoren ab, etwa von der Witterung. „Wird es ein verregnetes Frühjahr, werden die Menschen weniger in der Natur unterwegs sein und können sich deshalb auch nicht mit FSME infizieren.“

Aber der Oberfeldarzt will das Risiko nicht kleinreden. „Seit ungefähr acht Jahren sehen wir, wie sich die Fall-Zahlen deutlich erhöhen“, sagt er. Besonders hoch ist das Risiko in Oberbayern. „Die Entwicklung in Oberbayern ist tatsächlich dramatisch“, urteilt Gerhard Dobler. 2010 wurden hier laut Robert-Koch-Institut nur sieben Fälle gemeldet. Im vergangenen Jahr waren es 61.

Früher habe es in Bayern nur alle drei, vier Jahre ein Jahr mit sehr hohen FSME-Fallzahlen gegeben. In den vergangenen Jahren aber habe sich dieser Zyklus verändert. Ein Jahr mit hohen Zahlen wechselt sich ab mit einem Jahr mit niedrigen Zahlen. Weil es 2023 im Freistaat mit 265 Fällen weniger Fälle gegeben hat als 2022 mit 291 Fällen, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass in diesem Jahr die Zahlen wieder ansteigen. „Aber das ist bisher nur eine Vermutung“, sagt Dobler.

Unstrittig hingegen ist, dass sich die Zahl der sogenannten FSME-Hotspots seit einigen Jahren erhöht. Diese Flächen sind gerade einmal so groß wie ein Fußballfeld. Und nur dort besteht das Risiko einer Infektion. „Sie können 100 Meter entfernt stehen und von einer Zecke gestochen werden, da passiert Ihnen überhaupt nichts“, sagt Dobler. Aber darauf sollte man es nicht ankommen lassen. Nachdrücklich rät er jedem in Bayern zur FSME-Impfung (Achtung: drei Impfungen sind für den vollen Schutz nötig) und dazu, Vorsicht walten zu lassen.

Wer in der Natur unterwegs ist, sollte auf den Wegen bleiben und den Kontakt mit Gräsern und Sträuchern vermeiden. Denn genau dort sitzen die Zecken, die dann vom Spaziergänger abgestreift werden. Lange Kleidung ist Pflicht, genauso wie helle Hosen. Auf hellem Untergrund würde man die winzigen Zecken besser erkennen, sagt Dobler. Wichtig sei es auch, sich nach dem Aufenthalt in der Natur akribisch abzusuchen. Wer eine Zecke findet, sollte diese sofort entfernen. Das verhindert unter Umständen eine Infektion mit der zweiten Hauptkrankheit, die in Bayern vom Holzbock übertragen wird, der Lyme-Borreliose. Die Zecke muss zwölf bis 20 Stunden Blut saugen, bevor es zur Übertragung der Bakterien kommt. Anders dagegen bei FSME. Hier überträgt die Zecke das Virus sofort.

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