Letzte Woche bin ich nach der Arbeit nicht direkt nach Hause gegangen. Ich hatte es eilig, weil ich an einer Demonstration zur Unterstützung der Ukraine am Odeonsplatz teilnehmen wollte. Dort warteten bereits meine ukrainischen und deutschen Freunde auf mich. In den Sozialen Netzwerken sah ich, dass auch Felix Sproll auf der Demonstration war. Felix ist 31 Jahre alt und Stadtrat der Volt-Partei in München. Er war es, der mir vor zwei Jahren bei der Flucht nach Deutschland geholfen hatte. Es war nicht schwer, ihn in der Menschenmenge zu finden – jeder Zweite kennt seinen Namen. „Für mich war die Ukraine immer ein sehr wichtiges Thema. Tatsächlich ist die Ukraine einer der Gründe, warum ich überhaupt politisch aktiv bin“, sagte er. Schon die blutig niedergeschlagenen Proteste auf dem Maidan im Jahr 2014 waren für ihn ein Anlass, sich für Freiheit und Demokratie einzusetzen. Deswegen war er schon bei den ersten Demonstrationen nach dem 24. Februar 2022 dabei. Die Hilfsbereitschaft damals war überwältigend. Felix koordinierte alles. Er half vielen Flüchtlingen bei der Registrierung oder bei Behörde-Angelegenheiten. Und er organisierte eine große Lieferung von Hilfsgütern in die Ukraine. Seine Nummer wurde immer weitergegeben, immer hieß es: „Wenn ihr Hilfe von jemandem aus München braucht, dann schreibt Felix.“
Die Hilfsbereitschaft von Felix hat mein Leben völlig verändert. Ich dankte ihm aus tiefstem Herzen, dass er mir damals geholfen hatte, nach Deutschland zu kommen. Jetzt lebe ich seit zwei Jahren in München. Hier habe ich zwei Jobs und viele Freunde gefunden. Überraschenderweise habe ich mich hier während dieser Zeit nie wie eine Fremde gefühlt. Im Gegenteil: In München begann ich mehr Ukrainisch zu sprechen, lernte viele neue ukrainische Freunde kennen, fand einen ukrainischen Mann, mit dem ich seit sechs Monaten zusammenlebe und eine Familie gründen möchte. Hier gehe ich frei zu ukrainischen Demonstrationen, die sehr sicher und immer erlaubt sind. Hier besuche ich Konzerte meiner ukrainischen Lieblingssänger, bei denen ich in der Ukraine noch nie war. Paradoxerweise begann ich mich erst in Deutschland wie eine echte Ukrainerin zu fühlen.