München – Im karierten Hemd und mit Trachtenjacke wird Manfred B. in den Gerichtssaal geführt. So ähnlich dürfte der 63-Jährige auch am 20. März vergangenen Jahres bekleidet gewesen sein. Statt Jeans hatte er damals eine Lederhose an, aus der er ein Messer gezogen und auf einen ebenfalls in Tracht gekleideten Mann eingestochen haben soll. Wegen versuchten Mordes muss er sich nun seit gestern am Münchner Landgericht verantworten.
Einig sind sich der Angeklagte und der 64-jährige Norbert R., das mutmaßliche Opfer, dass sie vorher nie bewusst miteinander zu tun hatten. Ein gemeinsamer Bekannter hat beide zu seiner Geburtstagsfeier in ein Münchner Lokal eingeladen. An dem „harmonischen Nachmittag“ seien Quetschn und Trompete gespielt und dazu Gstanzl gesungen worden, erinnert sich Norbert R. In einer Erklärung des Angeklagten heißt es hingegen, die Feier sei „ereignislos“ verlaufen. Im Laufe des Nachmittags sei es zum Streit darüber gekommen, ob die Feder auf R.’s Trachtenhut echter Adlerflaum oder lediglich eine Putenfeder und ob die Feder auf B.’s Hut eine Spielhahnfeder sei. Es sei eine „normale Diskussion“ gewesen, stellt Norbert R. klar und ergänzt: „Des war ned so dramatisch.“
Gegen 18 Uhr habe er sich mit dem Angeklagten auf den Weg zur S-Bahn Richtung Ebersberg gemacht, berichtet R. weiter. Weil die S-Bahn wegen einer Störung nur bis zum Ostbahnhof gefahren sei, sei man in ein Taxi gestiegen und habe vereinbart, sich die Kosten zu teilen. Er sei hinter dem Fahrer gesessen, B. neben ihm. Während der Fahrt habe ihn der Angeklagte „aus heiterem Himmel“ als „Verbrecher“ beschimpft und mit einem Messer auf ihn eingestochen. Er habe sofort realisiert: „Der bringt mich um.“ Mit der linken Hand sei es ihm gelungen, den ersten Stich abzuwehren. B. habe zu weiteren Stichen angesetzt – rund fünf Minuten sei das so gegangen. „Ich habe um mein Leben gekämpft“, erinnert sich Norbert R. unter Tränen. Irgendwann hätten der Taxifahrer und eine Passantin den Angeklagten aus dem Taxi gezogen.
Abgesehen davon, dass sein „ganzes Daumengelenk kaputt“ sei, seien die Verletzungen – auch am Hals – gut verheilt. Er leide jedoch immer noch an Schlafstörungen und Angstzuständen und sei deshalb in psychologischer Behandlung.
Manfred B. erklärt über seinen Verteidiger, sich an die Taxifahrt nicht erinnern zu können. Er habe bei der Feier „mehrere Bier“ getrunken. Ein von ihm beauftragter Sachverständiger könne einen „pathologischen Rausch“ nicht ausschließen. Der gerichtlich bestellte Psychiater kommt zum gegenteiligen Ergebnis: Der 63-Jährige sei voll schuldfähig. In der Erklärung des Verteidigers heißt es, das Privatgutachten stütze sich auf „weitergehende Erkenntnisse“. Kein Wunder, kommentiert der Vorsitzende Richter: Vom Gerichtsgutachter habe sich der Angeklagte nicht untersuchen lassen. Rechtsmediziner haben ausgerechnet, dass B. zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt 2,6 Promille hatte. Ein Urteil ist für Ende März geplant.