München – Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) in Deutschland will sexuellen Missbrauch in seinen Reihen aufarbeiten. Zwischen 1976 bis 2006 gab es mindestens 123 Betroffene sexualisierter Gewalt, ergab eine Studie des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) und des Berliner „Dissens – Institut für Bildung und Forschung“. Der Taten beschuldigt werden 50 überwiegend männliche Personen, hieß es bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag im Münchner Presseclub. Als Datengrundlage dienten Interviews mit 60 Personen, davon 26 Betroffene, 22 Zeitzeugen, sieben Schlüsselpersonen und fünf Experten. Außerdem sei Aktenmaterial aus verschiedenen Archiven des Verbands ausgewertet worden. Beziehe man auch die Taten mit ein, die zeitlich beziehungsweise verbandlich nicht genau zugeordnet werden könnten, erhöhe sich die Zahl auf 50 Beschuldigte und 123 Betroffene.
Die mutmaßlichen Tatzeiträume sind der Untersuchung zufolge besonders in den 1980er- und 1990er-Jahren gelegen. Unter den fast ausschließlich männlichen Beschuldigten habe es zwei Prototypen gegeben: den älteren erwachsenen Pfadfinder und den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, der seine Stellung als Leitungsfigur benutzt habe, um Jüngere sexuell auszubeuten.
Wie Peter Caspari vom IPP sagte, wurde oft eine vielfältige Mitwisserschaft ausgemacht. Dennoch sei weiter über sexualisierte Gewalt geschwiegen worden. „Wir sind erschüttert, an wie vielen Stellen es dem BdP in der Vergangenheit nicht gelungen ist, seine Mitglieder vor sexualisierter Gewalt und (Macht-)Missbrauch zu schützen“, teilte die BdP-Bundesvorsitzende Annika Schulz mit. „Es wurde geschwiegen, weggesehen.“ Der Verband wolle mit den Opfern sprechen und mit ihnen nach individuellen Lösung für das erlittene Leid suchen. kna/dpa