Fürstenfeldbruck – Am Valentinstag 1967 geht es im Krankenhaus in Fürstenfeldbruck drunter und drüber. Ein junger Mann wird eingeliefert. Er ist tot. Die Ärzte tippen auf eine Todesursache, die es in sich hat: Gift.
Als die Polizei in der Klinik eintrifft, findet sie den 25-jährigen Manfred Müller vor. Er ist der Begleiter des toten Albert Blumoser. Noch in der Nacht wird Müller vernommen. Er lebt eigentlich mit seiner Ehefrau Christel und zwei Kindern in Kempten und ist in Fürstenfeldbruck, weil er an einem mehrwöchigen Lehrgang für Angestellte des Deutschen Wetterdienstes teilnimmt. Blumoser war sein Kollege.
„Über den Gemütszustand von Herrn Müller sagen die Akten wenig“, erklärt die Historikerin und Archivarin Ulrike Claudia Hofmann. Im Staatsarchiv München blättert sie in einem Stapel aus alten Papieren. Den Mordfall von 1967 hat sie für den Tag der Archive am Samstag in den kilometerlangen Archivregalen ausgegraben. In der alten Akte schlummert alles, womit sich die Staatsanwaltschaft damals beschäftigt hat.
Unterricht, Kantine, Lernen. Mehr haben die Kollegen Müller und Blumoser an jenem Tag nicht gemacht. „Blumoser klagte den ganzen Tag über Schnupfen und Husten. Er wollte sich schon morgens eine Flasche Rum kaufen, weil er sich damit Besserung seiner Grippe erhoffte“, erklärt Müller den Beamten. Am Feierabend erbarmt sich Müller und bietet seinem Kollegen den Enzian an, den er auf seinem Zimmer stehen hat. Doch der Schnaps sollte den kränkelnden Kollegen alles andere als kurieren.
Die Flasche haben die Ermittler später fotografieren lassen. Denn schnell stand fest: Die Ärzte liegen richtig. Dem Enzian ist Gift beigemischt worden. Im Magen des Mordopfers fand man Spuren von Natriumcyanid. Besser bekannt als Blausäure.
Als Blumoser ausgetrunken hat, geht alles ganz schnell. Müller berichtet: „Blumoser trank das Krügerl nach Seemannsart in einem Zug aus.“ Dann schnappt er nach Luft und ruft: „Das ist ja sauer, das ist ja Essig.“ Müller nippt da gerade erst an seinem Stamperl und spuckt den Schnaps sofort wieder aus. „Der Geschmack war widerlich, ich hatte sofort einen trockenen Hals“, erzählt er der Polizei. Beide Kollegen schimpfen und spülen sich im Bad den Mund aus. Müller schüttet den Enzian ins Klo. Sekunden später sackt Blumoser zusammen, schüttelt sich vor Krämpfen. Müller holt Hilfe. Doch Blumoser stirbt – und hinterlässt eine schwangere Ehefrau.
Die Akten von 1967 zeigen, dass die Polizei Müller genau durchleuchtet. „Er gibt an, dass der Enzian auf mysteriöse Weise in seinen Besitz gekommen ist“, erklärt Hofmann. Tage vor dem tödlichen Prosit ziehen Müller die Kollegen auf – wegen einer angeblichen Geliebten, die ihm ein Paket nach Fürstenfeldbruck geschickt habe.
„Das Paket enthielt eine Flasche Enzian, das Krügerl und Katzenzungen“, zählt Archivarin Hofmann auf. „Auf einer Karte stand: Gruß aus der Oberpfalz, aber alleine trinken mit Genuss.“ Absender unbekannt.
Als die Polizei Müllers Frau vernimmt, stößt sie auf eine heiße Spur. Ihr erster Mann, ein ehemaliger Unteroffizier aus Stuttgart, soll ihr gedroht haben, ihren neuen Partner – Manfred Müller – umzubringen. „Genau die Stelle in der Aussage haben die Beamten in der Akte rot unterstrichen“, sagt Hofmann. „Das zeigt, dass da die Alarmglocken geläutet haben.“ Und tatsächlich: Das Paket wurde in Stuttgart aufgegeben. Der Mörder scheint also klar. Bis sich der diensthabende Postbeamte meldet. Der sagt: Eine junge Frau – kein eifersüchtiger Soldat – habe das Paket aufgegeben. Und: Die Frau gab an, vergessen zu haben, den Empfänger zu vermerken. Ob der Postbeamte das nicht für sie übernehmen könne.
Es wird noch brisanter: Drei Tage nach Blumosers tragischem Tod meldet sich ein Metallbauer aus Kempten bei der Polizei. Für einen Freund hatte er vor Kurzem Säure in eine Enzianflasche abgefüllt und eine weitere Substanz besorgt – Natriumcyanid. Die Ermittler forschen nach: Eben dieser Freund ist auch ein Freund von Christel Müller, und zwar ein spezieller. Die beiden haben seit fast einem Jahr eine Affäre – und wollten den Ehemann und Vater Manfred Müller aus dem Weg räumen.
Dumm nur, dass der tödliche Cocktail am Ende den Falschen traf. Und die Polizei den beiden trotz aller Finten auf die Schliche kam. Beide wurden zu je 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.