Bahn frei für starke Frauen

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Nach landläufiger Meinung sind Frauen bei der Bahn meist im Speisewagen anzutreffen, vielleicht auch als Zugschaffnerin. Doch das ist natürlich ein Klischee. Die Bahn will ihre Männerdominanz überwinden oder sagen wir besser: zumindest eindämmen. Es ist mühsam. Nur fünf Prozent der Lokführer sind Lokführerinnen. Bei der Gastro sind 50 Prozent Frauen. Aber die Bahn bemüht sich. Der Frauenanteil steigt jedes Jahr um einige Zehntelprozentpunkte, derzeit sind es 24,1 Prozent. Ein starkes Signal war die Ernennung der früheren Managerin der Berliner Nahverkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, zur Chefin der Güterbahn DB Cargo. Ihr Motto laut Karriere-Plattform LinkedIn: „Unterordnung ist nicht meine Stärke.“

Ohne Durchsetzungsvermögen geht es in der Männerwelt nicht, sagt auch Anna Pfund. Die 32-Jährige studierte Bauingenieurwesen in Zürich und an der TU München. Nach einem Recruiting-Tag wechselte sie von einem Ingenieurbüro zur Bahn, ist jetzt Leiterin Erneuerungsprojekte bei der DB InfraGo in München.

„Man ist schon in der Minderheit“, sagt sie. Frauen müssten sich auf dem Bau vielleicht etwas mehr beweisen als etwa im Büro. Und „man wird schon ein bisschen ausgetestet“. In dem elfköpfigen Team gibt es neben ihr nur eine weitere Frau, aber „jetzt habe ich noch zwei weitere Frauen eingestellt“, berichtet sie. Es geht also langsam voran mit der Frauenquote bei der Bahn.

Anna Pfund kann sich natürlich nicht nur um Frauenförderung kümmern. Ihr Beruf ist es, Schienen, Schwellen und den Unterbau von Gleisen auszutauschen. Derzeit ist sie am Betriebswerk Pasing beschäftigt – dort werden die Abstellgleise für Regionalzüge komplett erneuert. Die Schienen sind Baujahr 1964, wie eine Prägung verrät. Man weiß ja, dass die Bahn bei der Erneuerung ihrer Infrastruktur hinterherhinkt, aber das ist selbst nach Maßstäben der Bahn uralt.

Hinten am Gleis rattert ein Schotterpflug, er schottert das Gleis ein, sagt man bei der Bahn. Die Staubwolke, die das gelbe Gefährt verursacht, kommt bedrohlich näher. Doch Anna Pfund lässt sich nichts anmerken und harrt geduldig in der Hocke aus, bis der Fotograf sein Foto im Kasten hat. Staub und Lärm gehören zur Jobbeschreibung. Außerdem muss sie sich im Gewirr der Unter-, Ober- und Nebengesellschaften der Bahn gut auskennen. Es gibt das Instandhaltungs-Management, die Abteilung für Vermessung, die für konstruktiven Ingenieurbau, Fachleute für die Oberleitung, für Baulogistik und dergleichen mehr. Alle reden mit, wenn auch nur ein Meter Schiene ausgetauscht wird. „Es ist am Anfang definitiv ein Wirrwarr, dieser Bahnkosmos“, sagt Anna Pfund. Jetzt hat sie das intus, kann auch die drei Schienenarten S54, S49 und UIC60 gut unterscheiden und weiß, dass Schienen in 120-Meter-Stücken geliefert werden. Etwa 15 bis 20 kleinere und größere Projekte laufen über ihren Schreibtisch: Dachau–Bachern, Traunstein, Freilassing, Planegg–Pasing und natürlich auf der bestehenden S-Bahn-Stammstrecke: Gebaut wird irgendwo ja immer.

Anna Pfund ist gut vernetzt in der Bahn-Frauenwelt. Sie ist von Allianz pro Schiene zu einer von 14 sogenannten Trainfluencern ernannt worden, berichtet also im Netz regelmäßig über die Bahn-Bubble und wirbt dafür, dass auch Frauen anheuern. „Ich bin passionierte Eisenbahnerin, die für ihren Beruf und eine starke Schiene brennt“, so stellt sie sich dort vor. Auch auf der Plattform LinkedIn gibt Anna Pfund regelmäßig Einblick in ihre Arbeit – respektable 2800 Personen folgen ihr.

Als sie es kürzlich auf das Cover des „Bahn Manager Magazins“ schaffte, prasselte viel Lob auf sie ein: „Super cool, Anna“, hieß es, „Herzlichen Glückwunsch. Ein wahre Führungskraft“. Außerdem ist Anna Pfund Mitglied im Frauennetzwerk der Bahn. Ihr jüngstes Projekt war ein Female ICE – ein Zug mit 100 Prozent weiblichem Personal –, der von Berlin nach Frankfurt fahren sollte. Leider sollte er ausgerechnet am Donnerstag starten. Das verhinderte aber der Lokführerstreik.

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