Beim psychiatrischen Krisendienst in Oberbayern rufen auch Menschen an, die nicht Deutsch sprechen. Seit Kurzem kann die Leitstelle ihnen dank eines Übersetzungsdienstes in Notlagen zur Seite stehen. Dolmetscher übersetzen in 120 Sprachen. Petra Brandmaier, die Leiterin der Leitstelle, berichtet, wie das neue Angebot angenommen wird.
Frau Brandmaier, wie wird das Dolmetscherangebot des Krisendienstes angenommen?
Die meisten Menschen, denen wir den telefonischen Dolmetscherdienst anbieten, sind sehr dankbar dafür. Nur sehr wenige, denen es unter Umständen unangenehm ist, dass eine dritte Person in ihre Problematik eingebunden wird, möchten lieber im Zweiergespräch mit unseren Mitarbeitenden bleiben. Sie verständigen sich dann eben mit den Deutschkenntnissen, die sie schon erworben haben. Oder sie versuchen es mit Englisch.
Welche Sprachen werden am häufigsten angefragt?
Bei uns in Oberbayern verteilt es sich relativ gleichmäßig auf insgesamt 20 Sprachen. An der Spitze steht Englisch mit acht Anrufenden innerhalb von drei Monaten. Dann folgen Russisch, Farsi, Spanisch, Portugiesisch und Türkisch als zweithäufigste Sprachen mit jeweils zwei bis vier ratsuchenden Personen.
Wie kam es zu dem neuen Angebot?
Die Krisendienste sollen allen Menschen, die sich in Bayern aufhalten, die hier leben oder auch nur auf der Durchreise sind, zur Verfügung stehen – unabhängig von deren Herkunft, Religion, gesellschaftlichem Stand und Nationalität. Insofern war es ein logischer Schritt, hier nach Lösungen zu suchen. Für unsere Mitarbeitenden war es zudem sehr belastend, bei Fremdsprachigkeit oft keine umfassende Hilfe leisten zu können. Tatsächlich hat dann der Angriffskrieg auf die Ukraine den letzten Anstoß gegeben, den telefonischen Dolmetscherdienst einzuführen. Finanziert wird das Angebot übrigens vom Gesundheitsministerium. So entstehen für die Anrufenden keine Kosten.
Wie läuft ein Anruf mit Übersetzungsbedarf bei der Leitstelle ab?
Wenn sich Hilfesuchende ohne deutsche Sprachkenntnisse melden, stellen wir erst einmal fest, welche Sprache sie sprechen. Dann erbitten wir die Zustimmung, den telefonischen Dolmetscherdienst zuzuschalten. Bei Einverständnis pausieren wir das Telefonat kurz, kontaktieren den Dolmetscherdienst und starten eine Telefonkonferenz.
Nehmen die Anfragen durch Kriege und Krisen zu?
Die Menschen, bei denen wir den Dolmetscherdienst hinzuziehen, haben nahezu alle Fluchterfahrungen und/oder eine Migrationsgeschichte. Einige davon sind auch akut von Kriegshandlungen in ihren Heimatländern betroffen. Auch Studierende, die sich fern von Familie und Heimat den Anforderungen ihres neuen Alltags stellen müssen, sind unter den Anrufenden. Menschen aus Krisengebieten sind großem Leid, Verunsicherung und Verlusten ausgesetzt. Aber auch die Menschen, die nicht direkt von Kriegen, Hungersnot, den Folgen des Klimawandels und politischen Umbrüchen betroffen sind, werden dünnhäutiger, spüren die Auswirkungen einer zunehmend komplexen, weniger berechenbaren und weniger sicheren Weltsituation.
Der Krisendienst
ist rund um die Uhr unter 0800/6553000 erreichbar.