München/Konradsreuth – Wäre den Gangstern auf der A9 in Thüringen nicht ein Hase vors Auto gelaufen, wären sie wohl der Polizei entkommen. Vier mutmaßliche Bank-Bomber wurden am Sonntag an der bayerisch-thüringischen Grenze festgenommen, nachdem sie im oberfränkischen Konradsreuth eine Sparkasse geplündert hatten. Die Männer waren zu Fuß geflüchtet, nachdem sie nach einem Wildunfall ihren hoch motorisierten Audi RS6 auf der Standspur der A9 München-Berlin auf Höhe Bad Lobenstein abstellen mussten.
Ein Anwohner hatte am frühen Morgen aus der Bankfiliale im Landkreis Hof einen lauten Knall gehört. Dort wurde der Geldautomat gesprengt und das Foyer der Bank schwer beschädigt. Die Polizei hatte mit Streifenwagen, Hubschrauber und Spürhunden die Automatenknacker gejagt. In welcher Höhe sie überhaupt Bargeld erbeuteten, war gestern unklar. In einem nahegelegenen Fluss fand die Polizei allerdings eine Geldkassette.
Bei der Festnahme bei Gefell (Saale-Orla-Kreis) gab ein Polizist einen Warnschuss ab. Im Kofferraum befanden sich zahlreiche blaue Kanister. „Die Täter führten große Mengen an Benzin mit sich, da sie bei der Flucht vermeiden wollten, an einer Tankstelle von Überwachungskameras gefilmt zu werden“, erklärt Ludwig Waldinger, Sprecher des Landeskriminalamtes. „Mit so einem Wagen ist bei der Flucht mit hohem Tempo der Tank nach 200 bis 300 Kilometern leer.“ Die Männer sind zwischen 22 und 26 Jahre alt, haben ihren Wohnsitz alle in den Niederlanden und niederländische, türkisch-niederländische und afghanische Pässe.
Spürhund Melvin fand im Audi Sprengmittel, die man vor Ort vorsichtshalber detonieren ließ. Welche Art Sprengstoff es war, wird noch untersucht. Woher der Audi RS6 (mehr als 600 PS) mit Osnabrücker Kennzeichen stammte, steht auch noch nicht fest.
Der Geldautomat war partiell mit einem Banknotenfärbesystem ausgestattet. Das löste erfolgreich aus. Teile des eingefärbten Geldes wurde bei den Männern sichergestellt.
Nach Angaben des LKA war es bereits die neunte Sprengung eines Geldautomaten in Bayern in diesem Jahr. Im Januar 2023 hatte die Polizei eine aus den Niederlanden stammende Geldautomatenbande hochgehen lassen, die 50 Mal in Deutschland zugeschlagen hatte, der Gesamtschaden: mehr als zehn Millionen Euro. Neun Personen wurden in Deutschland, Belgien und den Niederlanden verhaftet. Im September gab es bei einer neuen Razzia vier weitere Festnahmen. Das sorgte vorübergehend für Beruhigung. Die Polizei hatte nicht nur die Täter, sondern auch die Hintermänner ermittelt. „Mittlerweile haben sich die weit verzweigten Banden aber offenbar neu organisiert“, sagt Waldinger. JOHANNES WELTE