Leichtathlet mit 89

von Redaktion

Günther Urban ist eine Sportskanone – mit seiner Fitness lässt er manch Jüngere alt aussehen

München – Ein Leben ohne Sport – für Günther Urban undenkbar. Dreimal die Woche trainiert der Obermenzinger beim PSV, zweimal kümmert er sich um die Senioren der Leichtathletik-Abteilung. Und dann besucht er selbst noch die Stunde für Rückengymnastik. Dazu kommt seine eigene Wettkampfvorbereitung. Im Juni stehen die deutschen Meisterschaften an. Und da hat Günther Urban einiges vor.

Das erste Mal wird er in der Altersklasse Ü90 antreten – denn er wird dieses Jahr 90 Jahre alt. Die 100 Meter würde er bei den Deutschen Meisterschaften im Juni schon gern unter 22 Sekunden laufen. „Das ist absolut machbar“, erzählt der ehemalige Diplom-Kaufmann. Im Weitsprung müsste er um die 2,80 Meter springen, um ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Mit dieser Weite gab es bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in der Altersklasse eine Goldmedaille. Die Konkurrenz wird geringer sein in diesem Jahr. „Ich starte das erste Mal in der Ü90-Alterklasse, bei den Ü85-Wettbewerben sind noch weit mehr Athleten am Start. In unserem Alter merkt man ab 85, dass die Leistungskurve steiler abfällt als davor. Und leider sind viele meiner ehemaligen Konkurrenten einfach nicht mehr da.“

Aus einer seiner ehemaligen Erfolgsstaffeln mussten schon zwei Kameraden gehen. Darunter Waggi Schneider vom Volksmusik-Trio „Die 3 lustigen Moosacher“ (Ja, mir san mit’m Radl da). Gemeinsam mit Dieter von Schamann und Heinz Kraus holte sich die Staffel 2015 die Deutsche Meisterschaft über viermal 100 Meter in der Altersklasse Ü80. 2006 in Linz war der ehemalige Mitarbeiter von Krauss-Maffei bereits bei der WM in der deutschen Nationalstaffel über viermal 200 Meter dabei. Die 2,03 Minuten reichten für die Goldmedaille vor England und Italien. 2011 dann noch der Europameistertitel im Weitsprung in der Altersklasse Ü75 mit vier Metern. Nur einige von vielen Titeln, die Günther Urban im Laufe seines Lebens gesammelt hat.

Und das, obwohl er erst mit 48 Jahren zur Leichtathletik kam. Davor setzte er sich ins Ruderboot, gab in der Langlaufloipe Gas – zum Beispiel beim legendären Wasalauf in Schweden. Außerdem fuhr er Radrennen. „Mich hat einer zufällig beim Laufen gesehen und gefragt, ob ich nicht beim Supercup als dritter Mann mitmachen würde“, erzählt er. Das hat er gemacht – und dabei seine Leidenschaft für die Leichtathletik entdeckt. Seine große Stärke ist die Vielseitigkeit. „Ich bin in keiner Disziplin überragend, aber in vielen ziemlich gut.“

So gut, dass er mit der deutschen Sportkrone in Gold mit Brillanten ausgezeichnet wurde. Dafür muss man im Alter von 65 Jahren die Leistungen erbringen, die von einem 18-Jährigen für das deutsche Sportabzeichen verlangt werden. Zu seinen Senioren-Spitzenzeiten ist er dafür die 200 Meter in 25 Sekunden gelaufen und 5,63 Meter weit gesprungen. Das Sportabzeichen macht er jedes Jahr – falls es geht. 60 Mal hat er das deutsche Sportabzeichen geschafft, 40 Mal das bayerische. Nur das allererste Mal, damals noch in Frankfurt, scheiterte er am Kugelstoßen. „Da ging gar nichts, bis eine unbekannte Frau zu mir kam und mir erklärte, was ich alles falsch mache.“ Die Frau war Ilse Bechthold, damalige Deutsche Meisterin im Kugelstoßen. Seitdem hat es keine Probleme mehr beim Sportabzeichen gegeben.

Obwohl die Gruppen, die er trainiert, immer kleiner werden, arbeitet Günther Urban diszipliniert weiter. Er braucht den Sport als Abwechslung. „Nur daheim zu sein, das wäre nichts für mich.“ Für ihn und seine Frau Waltraud sind seine Wettkämpfe eine gute Gelegenheit, die internationalen Meisterschaften mit schönen Reisen zu kombinieren. „Man fliegt ja nicht für ein 100 Meter-Rennen nach Australien“, sagt er.

Egal, wo und wann die großen Leichtathleten Station machen, versucht Günther Urban dabei zu sein. Zuletzt 2022 bei den European Championships in München, davor in vielen anderen Metropolen. „In Berlin 2009 bin ich quasi neben Usain Bolt im Vorbereitungsstadion gesessen. Ich wollte wissen, was so ein Ausnahmeathlet vor dem Wettbewerb macht. Alle anderen haben sich intensiv aufgewärmt, er saß einfach da, hat Musik gehört und ist dann seinen Weltrekord über 9,58 Sekunden gelaufen“, erinnert er sich.

Um Rekorde geht es dem 89-Jährigen nicht. „Ich bin ehrgeizig, aber sicher nicht überehrgeizig. Und geschenkt bekommt man den Erfolg nicht.“ Deshalb setzt er sich auch mit 89 Ziele: Im Juni will er bei den Deutschen Meisterschaften auf dem Treppchen stehen.

DORIT CASPARY

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