Weßling – Anton G. Leitner (62) hat schlecht geschlafen und jetzt steht er in seinem Garten in Weßling (Kreis Starnberg) an einem „Schützengraben“, wie er sagt. Landschaftsgärtner graben um, hier sollten schon am Montag Rohre verlegt werden. Einen Meter tief, frostsicher, ein Teil der neuen Heizung, die Leitner einbauen lässt. Aber das Rohr kommt nicht, es steckt irgendwo fest, schuld ist wohl der Bahnstreik. Leitner schnauft. Er ist ja froh, dass überhaupt was vorwärts geht. Nach zwei Jahren Frust über Förderanträge, politischen Zickzackkurs und Kostenexplosionen. Hätte Leitner das vorher gewusst, hätte er auf den umweltfreundlichen Umbau verzichtet. „So kann die Energiewende nicht funktionieren.“
Der 62-Jährige lebt mit seiner Frau, einer Ärztin, in seinem Elternhaus, Baujahr 1962. Dort hat auch seine Mutter eine Wohnung. Im fast baugleichen Haus (1997) nebenan ist sein Verlag, die Praxis seiner Frau und eine Mietwohnung. Vor zwei Jahren beschließt Leitner, die fast 30 Jahre alten Gasheizungen auszutauschen: „Wir wollten nicht riskieren, dass wir aus der Not heraus eine neue brauchen“, sagt er. Außerdem gab es Förderungen. Leitner entscheidet sich für eine Hybridheizung: Wärmepumpe kombiniert mit Gas. Für die älteren Häuser wird ihm das empfohlen. Er sucht sich eine große Firma aus dem Kreis München, die die Heizungssysteme des Marktführers einbaut. Dazu ein Ingenieurbüro und eine Förderagentin. Zwei Jahre später ist er nur ein Erdloch weiter.
Leitner ist preisgekrönter Dichter, Verleger und Herausgeber des wichtigsten deutschen Lyrik-Magazins („Das Gedicht“). Und er ist studierter Jurist. Aber Leitner stieß mit der Renovierung an seine Grenzen – wegen der „monströsen Bürokratie“. „Diese Förderanträge sind so formuliert, dass ein Jurist sie nicht versteht. Da läuft doch was schief.“ Zusammen mit seiner einzigen Mitarbeiterin kämpft er sich monatelang durch den Antragsdschungel. „Was man da alles angeben muss, das ist Wahnsinn“, sagt er. Er zählt die Rippen der Heizkörper, recherchiert Baumaterial, misst alle Räume nach – die Pläne von 1962 stimmen zum Teil nicht. Er fragt seine Onkel nach alten Bildern von der Baustelle.
Im Juni 2022 steht sein Konzept. Kosten je Heizung: 70 000 Euro, dazu noch 10 000 Euro für die nötige Erneuerung der Hauselektrik. „Das geht an unsere Grenzen“, sagt Leitner. Förderfähig sind damals maximal 36 000 Euro, darauf gibt es 30 Prozent. Die Heizungsbauer rechnen mit Baubeginn im Frühjahr 2023. Doch dann die politische Kehrtwende – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) streicht Ende Juli 2022 kurzfristig die Förderung von Gas-Hybridheizungen. In letzter Minute geht Leitners Förderantrag durch. Trotzdem wird die Renovierung zum Risiko. Denn Leitner erfährt, dass es dauert, bis die Fördersumme ausbezahlt wird. Die Firmen wollen aber vorher ihr Geld. Ein Schwager leiht ihm was.
Als das Geld bereitliegt, geht der Zirkus weiter: Jetzt hat der Heizungshersteller Lieferprobleme. „Ich dachte schon, das wird nix mehr.“ Je länger Leitner warten muss, desto teurer wird das Vorhaben. Die Landschaftsgärtner verlangen jetzt 30 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Mit den Heizungsbauern hat er keine Preisbremse vereinbart, da hofft er auf Kulanz. Gefördert wird nur der Betrag, der 2022 beantragt wurde. Die schlaflosen Nächte werden häufiger.
Noch ein Ärgernis: In der Wartezeit lässt er auf das ältere Haus eine Photovoltaikanlage mit Ladestation fürs E-Auto bauen, seit Juni speist er Strom ein – Geld vom Stromversorger bekommt er heute noch nicht, sagt er. Als er wie gewünscht Daten einreicht, kriegt er zu hören: „Es wird drei Monate dauern, bis wir ihre Mail lesen.“ Wenn er so arbeiten würde, sagt Leitner, wäre sein Verlag vor 30 Jahren bankrottgegangen.
In diesen Tagen denkt Anton G. Leitner oft an das Jahr 1997 zurück. Damals baute der Dichter nach einem Jahr Planung mit einer Baufirma das eine der beiden Häuser. In drei Monaten, schlüsselfertig. „Was ist aus Deutschland geworden?“, fragt er. Vielleicht schreibt er Habeck einen Brief. Er hat zwar die Grünen gewählt, aber die müssten dringend mal mit Betroffenen sprechen, sagt er. Gerade fehlt ihm aber die Zeit. Am Montag sollten die Heizungsbauer anrücken, mit 20 Mann. Gekommen sind zwei.
Die Anträge versteht ein Jurist kaum