Senioren-Sportstunde mit Trainer Enzo

von Redaktion

VON DORIT CASPARY

München – Enzo Giacomini liebt seine Damen. Und sie lieben ihn. Bevor die Senioren aus dem Georg-Brauchle-Haus in Neuperlach einen Trainingstermin bei dem 52-Jährigen ausfallen lassen, muss viel passieren. „Unser Enzo macht das mit einer unglaublichen Hingabe“, sagt Felizitas Lindemann. Die 90-Jährige ist eine der 400 Teilnehmer des Bestform-Programms der TU München, bei dem es um die Fitnesssteigerung von Senioren geht. Jede Woche kommen die Senioren und Seniorinnen montags und mittwochs oder auch donnerstags in den Trainingsraum, um an den sechs Geräten ihre Fitness, Koordination, Stabilität und vieles mehr zu verbessern.

Ohne Enzo würde der Sport nur halb so viel Spaß machen. Abbrecher gibt es bei dem ehemaligen Kampfsport-Profi so gut wie keine. Sein Lächeln, seine motivierenden Worte sind Grund genug, um am Ball zu bleiben. 80 Prozent der Teilnehmer sind weiblich. Enzos Damen. Sie merken, dass der gebürtige Italiener Freude hat, mit ihnen an den Geräten zu arbeiten. „Mir macht das hier so viel Spaß und wir haben immer gute Laune hier. Außer es klappt mal eine Übung nicht so, wie sie soll, dann werden die Damen schon mal ärgerlich.“ Aber mit ein paar aufmunternden Worten von Enzo geht es gleich viel besser weiter.

Die meisten trainieren inzwischen auch außerhalb des Projekts. Die einen gehen schwimmen, die anderen haben einen Hometrainer auf dem Balkon stehen, die anderen kegeln oder drehen zumindest ihre Runden bei einem Spaziergang im Park.

Seit zweieinhalb Jahren ist der Mathematiker nun in der Altenpflege und -betreuung tätig. „Diese Arbeit hier macht mich glücklich.“ Er ist nicht nur Trainer, sondern kümmert sich auch um schwer demenzkranke Bewohner. „Meine Schwiegermutter war von Alzheimer betroffen, in dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich in diesem Bereich arbeiten möchte.“ Für seine Berufung hat Enzo Giacomini viel aufgegeben. Früher verdiente er sein Geld als ehemaliger MMA-Profi (Mixed Martial Arts ist ein Vollkontakt-Kampfsport) mit der Ausbildung von Elitesoldaten, später als promovierter Mathematiklehrer. Deshalb sprechen ihn seine Damen auch gerne mal im Scherz als Herr Doktor Enzo an. Heute kann er sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu arbeiten. Auch wenn er einen Bruchteil dessen verdient, was früher auf seinem Konto eingegangen ist. „Das hier ist mein Platz, eine Oase.“

Seine Damen (und die Herren natürlich auch) sehen das genauso. Sie freuen sich schon auf seine freundliche Begrüßung, bevor es an den Trainingsgeräten losgeht. Enzo weiß immer, wie es Bestformern geht, was sie bedrückt, wo er sie unterstützen kann. Er schenkt ihnen auch jedes Mal ein bisschen seiner guten Laune, tauscht Kochrezepte mit ihnen aus. „Obwohl ich gar nicht mehr koche“, erzählt Felizitas Lindemann schmunzelnd. Die 90-Jährige ist durch einen Wirbelbruch und eine Prothese an der Schulter eingeschränkt, aber das Training zieht sie durch. „Dabei muss aber immer genügend Zeit für ein Späßchen mit Enzo sein“, sagt sie. Sie freut sich auch über die Fotos, die Enzo von allen immer wieder beim Training macht und verteilt. „Das sind doch nur kleine Gesten“, sagt er.

Für die Ü80-Truppe aus dem Georg-Brauchle-Haus sind sie viel mehr als das. Sie bereichern ihren Alltag. Und so kommt es zu bis zu 200 gezählten Trainingseinheiten der Teilnehmer im Monat, die in der Bestformer-Statistik auftauchen. „Jede einzelne Einheit verbessert die Fitness und das allgemeine Wohlbefinden“, sagt der 52-Jährige. So können Enzos Damen auch im hohen Alter noch topfit ihr Leben genießen. Eine von ihnen ist Christel Schorn. Die 89-Jährige hat eine Tochter, die früher Leistungsturnerin bei Olympia war. „Inzwischen mache ich mehr Sport als sie“, sagt sie und lacht. Dann ergänzt sie: „Vielleicht auch ein bisschen wegen unseres tollen Trainers.“

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