München – Das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung führt wohl dazu, dass bayernweit etwa 29 000 Strafakten überprüft werden müssen. Das ergab eine Anfrage der „Deutschen Richterzeitung“ beim Justizministerium in München. Bundesweit sind es demnach mehr als 210 000 Strafakten. Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wären es 60 000 Fälle.
Die bayerische Justiz klagt seit Wochen über Mehrarbeit durch das Gesetz, das unter anderem eine rückwirkende Amnestie-Regelung vorsieht. Deswegen müssen Staatsanwaltschaften im Freistaat tausende eigentlich abgeschlossene Altfälle nochmals überprüfen. Allein die Staatsanwaltschaft München I zählt knapp 4000 bereits erledigte Verfahren, deren Akten noch einmal gesichtet werden müssen.
Der umstrittene Gesetzentwurf der Ampel-Bundesregierung sieht vor, dass rechtskräftige und bisher nicht vollständig vollstreckte Strafen für Delikte, die vom 1. April an nicht mehr strafbar sind, erlassen werden. Bis das Cannabis-Gesetz am 1. April in Kraft tritt, muss die Staatsanwaltschaft also zahlreiche Altfälle überprüfen, die nach dem neuen Recht nicht zu Strafen hätten führen dürfen. Bereits verhängte Haft- oder Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten, die nach dem Gesetz in Zukunft nicht mehr strafbar sind, sollen beim Inkrafttreten erlassen beziehungsweise eingetragene Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz sollen Besitz und Anbau der Droge mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum vom 1. April an erlaubt sein. Alle Erwachsenen, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürften demnach Cannabis anbauen. Das heißt: bis zu drei Cannabis-Pflanzen pro Person. Erwachsene dürfen 25 Gramm mit sich führen und am Wohnsitz bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen. Kindern und Jugendlichen bleibt der Cannabis-Besitz verboten. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden – in 100 Meter Luftlinie um den Eingangsbereich.
Das Gesetz kommt am kommenden Freitag, 22. März, in den Bundesrat. Dort ist es nicht zustimmungsbedürftig, aber die Länderkammer könnte den Vermittlungsausschuss anrufen und das Verfahren damit abbremsen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hofft, dass der Bundesrat die Pläne verhindern wird. „Wir bedauern insbesondere, dass das Gesetz keinerlei Übergangsfristen vorsieht, die ermöglichen würden, dass sich Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter hierzulande auf die neue Gesetzeslage vorbereiten können“, heißt es in einem Brief des stellvertretenden GdP-Bundeschefs, Alexander Poitz.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt davor, die geplante Legalisierung im Bundesrat zu verzögern. „Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft“, schrieb der SPD-Politiker am Samstag auf der Plattform X (früher Twitter).
Zur Kritik vonseiten der Justiz sagte Lauterbach: „Durch die Cannabis-Legalisierung fallen jährlich zehntausende Konsumdelikte weg. Die Gerichte werden entlastet.“ Bei Einführung sei die Amnestie zwar eine Belastung. „Aber Verschieben bringt da nichts, die Arbeit bleibt gleich.“