Senioren-WG auf dem Bauernhof

von Redaktion

VON REGINA MITTERMAIER

Happerg – Am Telefon hat’s gefunkt. Elisabeth Reitberger (55) legt ihren Arm um Eva Schreiber (84) und erzählt. Sie sitzen in der Küche auf einem Bauernhof in Happerg (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen). „Ich wusste, sie war nervös“, sagt Elisabeth. Deshalb telefonierten sie vor Evas Einzug. „An deiner Stimme habe ich gemerkt: Das passt“, erzählt Elisabeth und lächelt Eva an. So kam die Seniorin auf den Hof. „Und meine Nervosität war weg, als du mich in den Arm genommen hast“, lächelt Eva.

Willkommen in der Senioren-WG bei Eurasburg! Maria Strein (63) und ihr Mann Josef (67) haben sie auf ihrem Hof eingerichtet. Das Konzept heißt Soziale Landwirtschaft: Bauernfamilien öffnen ihren Betrieb für Benachteiligte oder Beeinträchtigte (Kasten). So entstehen auch Wohnkonzepte für Senioren wie hier. Mit den Einnahmen finanzieren sie den Erhalt ihres Hofs. Die Milchwirtschaft haben sie vor Jahren aufgegeben und auf Mutterkuhhaltung umgestellt. Derzeit leben zehn Mutterkühe, ein paar Kälbchen und auch noch vier Goaßn mit den fünf Senioren in Happerg.

Eva Schreiber ist eine davon. Am Vormittag sitzt sie mit Elisabeth Reitberger am Esstisch und blättert in einem Kochbuch. Hauswirtschafterin Elisabeth kocht für die WG. Fünf Tage die Woche ist sie da, morgens bis nachmittags. Immer dabei: Chester (2). Ihr brauner Labrador wirbelt das Haus manchmal ganz schön auf. Er und sein Frauchen spielen mit den Senioren, spenden aber auch Trost. „Es ist wie in einer Familie halt“, sagt Elisabeth. „Mit der Eva kann ich reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist.“

Maria Strein hatte 2016 die Idee mit der Pflege-WG, nachdem ihr Vater gestorben war. Seitdem vermietet sie Zimmer an hilfsbedürftige Senioren – meist für viel weniger Geld, als ein Heimplatz kosten würde. Für die Pflege kommt die Kasse auf.

Pünktlich zum Mittagessen kommt Walther Mauk (90) aus Beuerberg dazu. Er geht durch den Flur zur Küche. An der Wand hängen Fotos der Bewohner und Pfleger. In der Küche erinnern Bilder an verstorbene WG-Kollegen. Dann setzt sich Walther neben Eva. Sie kennt seine charmanten Sprüche bereits. Walther ist ein Süßer, mag Pfannkuchen und Schmarrn. „Es ist super hier, eigentlich schmeckt alles“, sagt er.

Maria Strein träumt von einem WG-Picknick am nahen Starnberger See. „Solche Ausflüge geben mir Kraft.“ Die Organisation und Betreuung erfordere viel Zeit. Auch wegen der aufwendigen Auflagen. „Viel Schreibkram.“ Sie will die WG auf zehn Pflegeplätze erweitern. Aber die Denkmalschutzbehörde stehe noch im Weg.

Auch Hauswirtschafterin Elisabeth wünscht sich weniger Hürden. Damit mehr Senioren-WGs entstehen und der drohende Pflegekollaps abgemildert wird. Wissenschaftler rechnen vor 2030 mit einem kritischen Kipppunkt. Elisabeth will bis dahin weiter in der Senioren-WG arbeiten. „So wie hier will ich auch mal gepflegt werden.“

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