„Griechenland, mein Griechenland“

von Redaktion

Philhellenismus und Kommunistenhatz: Eine neue Festschrift beleuchtet die wechselvollen Beziehungen Bayerns zu Athen

VON DIRK WALTER

München – Ein geschichtsträchtiger Seufzer: „Griechenland, mein Griechenland“, soll der vom ´Thron gestoßene einstige König in Athen, Otto I., noch gestöhnt haben. Dann schloss er am 26. Juli 1862 die Augen und schied von dannen. Tod mit 52 – ein Kapitel der bayerisch-griechischen Beziehungen war damit endgültig beendet. Aber eben nur ein Kapitel.

1821 begann der Aufstand der Griechen gegen die osmanische Herrschaft, der schließlich – mit bayerischer Unterstützung – in die Unabhängigkeit münden sollte. Drei Jahre nach dem Jubiläum beleuchtet nun eine von der Griechischen Akademie in München initiierte Festschrift die Beziehungen. Sie wird heute im Landtag vorgestellt und schlägt einen weiten Bogen von der berühmt-berüchtigten „Bavarokratie“ Ottos in Griechenland bis zur Jetztzeit.

Längst verbindet beide Länder eine feste Freundschaft, wie der Herausgeber und Münchner Rechtsanwalt Stavros Kostantinidis im Vorwort feststellt. Der ehemalige Kultusminister Ludwig Spaenle, der auch einen Beitrag beisteuerte, kann das nur bestätigen: „Es gibt keine weiteren zwei Länder in Europa, die dermaßen besondere Beziehungen haben.“ Spaenle hat einst selbst in Geschichte über den in Bayern grassierenden Philhellenismus promoviert. Er sagt, Bayern habe beim „Nation building“ in Griechenland einst entscheidend geholfen.

Bei einem Gespräch in seinem Büro sprudeln Namen und Begriffe nur so aus ihm heraus: Friedrich von Thiersch, der von der Thierschstraße in München, war als Altphilologe einer der Vorreiter des bayerischen Helleninismus. Und der Kern von Athen, sagt Spaenle, „ist bayerisch“, unzählige Gebäude und Straßenzüge prägten bayerische Baumeister – allen voran Leo von Klenze, von dem das heutige Parlamentsgebäude stammt. Dabei sah es anfangs gar nicht so gut aus mit dem Bayerntum in Griechenland. Denn ursprünglich, sagt Spaenle, habe die griechische Krone Leopold von Sachsen-Coburg angedient werden sollen. Der schlug das aus, wollte lieber König von Belgien werden. Damit war der Weg für den minderjährigen Otto frei.

Bavarokratie, damit ist jenes Abenteuer gemeint, auf das sich die Wittelsbacher am 6. Februar 1833 einließen. An diesem Tag betrat der damals erst 16-jährige Otto die damalige griechische Hauptstadt Nauplia, wo er dann als König installiert wurde. Die Geschichten um den Philhellenen König Ludwig I. und seinen zweitgeborenen Sohn Otto sind Legende. Weniger bekannt ist, dass anfangs (1833 bis 1835) ein Regentschaftsrat in Athen die Amtsgeschäfte übernahm. Die Protokolle, erst vor einigen Jahren gefunden, werden in der Festschrift von dem Historiker Emanuel Lechenmayr ausgewertet. Der Regentschaftsrat, so schreibt er, war ein Beispiel für „bürokratische Regulierung von oben“. Es ist einer von vielen Aspekten des gut 30-jährigen bayerischen Abenteuers in Griechenland.

Als Otto 1862 gestürzt wurde und nach Bamberg weichen musste, installierte er eine Art Exil-Hofstaat, pflegte die griechische Sprache und trug ebenso wie seine Dienerschaft griechische Tracht. Seine Kroninsignien nahm Otto mit nach Hause – sie wurden 1959 in einer komplizierten diplomatischen Prozedur, deren Hintergründe Christof Botzenhart in der Festschrift beleuchtet, dem damaligen griechischen König Paul I. übergeben. Später waren sie verschollen und wurden erst im vergangenen Jahr wiederentdeckt.

In der Festschrift werden auch kaum bekannte Aspekte der dauerhaften Beziehungen beleuchtet. Ein Beispiel ist das Griechische Programm im Bayerischen Rundfunk, eine tägliche Sendung, die es von 1962 bis Ende 2002 gab. Pikant ist, dass das Programm griechische „Gastarbeiter“ auch während der griechischen Militärdiktatur 1967 bis 1974 mit objektiven Informationen versorgte. Die Sendung, schreibt Georgios Pappas, der einst selbst an der Sendung mitwirkte, wurde daher täglich durch argwöhnische Mitarbeiter des Regimes ausgewertet.

Redaktionsleiter Pavlos Bakojannis, ein Vertrauter des „Nea Dimokratia“-Politikers Mitsotakis, erhielt Morddrohungen und trug eine Waffe. Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß intervenierte beim BR-Intendanten zugunsten der griechischen Obristen, die ja Nato-Partner waren. Als in der Sendung Lieder des Widerstandskämpfers und Komponisten Mikis Theodorakis gespielt wurden, geriet sie gar unter Kommunisten-Verdacht.

Die Festschrift

kann unter www.griechische-akademie.de kostenlos aufgerufen werden

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