„Verführt von grünen Ideologen“

von Redaktion

GASTKOMMENTAR Warum der eingeschlagene Weg der Energiewende zu einem gefährlich hohen Strompreis führt

VON ROLAND FARNUNG

BDI-Präsident Siegfried Russwurm hat inzwischen verstanden, dass die deutsche Energiepolitik „toxisch“ ist. Diese Erkenntnis hat sich bei Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, noch nicht durchgesetzt. In seinem Vorwort im März zum 12. Monitoring der Energiewende von Prognos stellt er fest, dass die hohen Energiepreise alarmierend sind und sich noch weiter erhöht haben. Insbesondere die energieintensive Industrie brauche aber dauerhaft einen international wettbewerbsfähigen Strompreis und darüber hinaus müsse es zu einem Brückenstrompreis für alle Unternehmen kommen.

Brossardt plädiert damit unausgesprochen für staatliche Subventionen. Die seien nach Überzeugung der Industrie und ihrer Verbände nur bis 2030 notwendig, weil sonst Industrieproduktion ins Ausland verlagert würde. Dabei sind jetzt schon über 300 Milliarden Euro an Subventionen für regenerative Erzeugungsanlagen von den Stromkunden bezahlt worden. Darüber hinaus wird der Bundeshaushalt mit weiteren zehn Milliarden an Subventionen für regenerative Erzeugungsanlagen jährlich belastet.

Nach 2030 gäbe es aber ein sehr großes Angebot an Strom sowie inzwischen neu gebaute leistungsfähige Netze und somit niedrige Strompreise. Gegen diesen Irrglauben sprechen folgende Argumente: Die letzte Ausschreibung der Bundesnetzagentur für Windanlagen vom 1. Februar 2024 von 2,4 GW konnte nur zu 72 Prozent zu einem Angebotspreis von durchschnittlich 8,3 Cent pro kWh für 20 Jahre untergebracht werden. Von 129 zugeschlagenen Angeboten stammte nur ein Angebot aus Bayern, und zwar aus Sommerach. Daraus kann man schließen, dass wegen der ungünstigeren Windverhältnisse in Bayern höhere Angebotspreise in Zukunft von der Bundesnetzagentur vorgeschlagen oder Zuschläge wegen ungünstiger Windverhältnisse gezahlt werden müssen. Unter 11 Cent pro kWh werden Windanlagen in Bayern kaum zu betreiben sein. Mehr neue Windanlagen auch in Bayern werden also den Strompreis sicher nicht senken. Angebote für Freiflächensolaranlagen wurden zuletzt im Dezember 2023 mit durchschnittlich 5,17 Cent pro kWh für 20 Jahre von der Bundesnetzagentur angenommen. Allerdings ist zu bedenken, dass die Betriebsstunden für Solaranlagen nur 800 bis 900 Stunden pro Jahr betragen und somit nur einen geringen Beitrag für die Stromversorgung leisen können.

Brossardt fordert weiterhin, „dass jetzt der Ausbau aller Erneuerbaren Energien mit aller Kraft vorangetrieben werden muss“. Durch eine größere Angebotsmenge von Strom werden die Strompreise nach 2030 allerdings nicht sinken. Die Netzbetreiber würden dann Erzeugungsanlagen vom Netz nehmen. Die Kunden müssen trotzdem die nicht eingespeisten Strommengen bezahlen. Das ist in den auf 20 Jahre mit den Betreibern abgeschlossenen Verträgen so geregelt.

Ein wesentlicher Kostenfaktor für den zukünftigen Strompreis sind die zusätzlich erforderlichen extrem hohen Investitionen in das Stromnetz. In der Pressekonferenz am 18. Januar 2024 stellt die Bundesnetzagentur fest, dass bis 2045 Investitionen von 300 Milliarden Euro in das Übertragungsnetz und 150 Milliarden in das Verteilungsnetz von den Netzbetreibern investiert werden müssen, wenn die Energiewende gelingen soll. Diese hohen Investitionen belasten mit ihren jährlichen Abschreibungen, Zinsen und Instandhaltungskosten die Netzgebühren und damit die Stromkunden.

Schließlich sind für Dunkelflauten, in denen die regenerativen Erzeugungsanlagen kaum Strom liefern, Reservekraftwerke erforderlich, wenn ein „Blackout“ vermieden werden soll. Dafür sollen 50 neue ineffiziente, offene Gasturbinen einspringen, die zunächst mit Erdgas und später mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Das würde bei diesen Reservekraftwerken zu Stromerzeugungskosten von etwa 50 Cent pro kWh führen. Hinzu kommen die Stillstandskosten für diese Anlagen und ihr Personal.

Nach Meinung von Brossardt soll deshalb „die Gasinfrastruktur auf klimaneutrale Gase umgestellt und eine bayerische Wasserstoffwirtschaft aufgebaut werden“. Leider hat sich aber noch niemand mit der Frage beschäftigt, ob die Kosten dafür überhaupt zu tragen sind. Offenbar soll auch hier der Staat und damit der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.

Die Quintessenz ist, dass bei dem jetzt eingeschlagenen Weg der Energiewende der Strompreis nach 2030 nicht niedriger, sondern viel höher sein wird. Unsere Gesellschaft hat sich, um eine „Klimakrise“ zu vermeiden, verführt von grünen Ideologen und ihren Lobbyverbänden, auf ein sehr gefährliches Experiment eingelassen, das inzwischen kaum noch zu korrigieren ist. Die Konsequenzen daraus sind heute noch nicht absehbar.

Artikel 4 von 11