Gendern – nein, danke! Der bayerische Ministerrat hat zum 1. April die Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates beschlossen. Dort wird eingefügt: Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig. Zu diesem Thema hat fast jeder und jede eine Meinung. Wir hörten uns um, wie das Gendern in Vereinen, Verbänden und Städten gehandhabt wird.
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Der Pressesprecher von DGB Bayern teilte mit: „Bei uns gibt es hier keine Vorgaben, jede:r kann es so halten wie er:sie möchte. Wie Sie gerade bemerkt haben, gendere ich persönlich sowohl intern als auch extern für gewöhnlich“ – aber das sei freiwillig und kein Muss.
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Der Bayerische Bauernverband mit Verbandschef Günther Felßner erklärt, er lege Wert darauf, dass „im Schriftverkehr und bei Veröffentlichungen des Verbandes alle Mitglieder der Bauernfamilien berücksichtigt werden“. Es würden beide Geschlechter genannt und zum Beispiel mit „Landwirtinnen und Landwirte“ angesprochen. „Andere Schreibweisen wie das Sternchen oder Binnen-I finden bei uns keine Verwendung.“ Ähnlich der Bayerische Landessportverband: „Wir sind binär unterwegs“, sagt die Sprecherin, „verwenden die weibliche und männliche Anrede ohne Sternchen oder Doppelpunkt“. Ähnlich die Schützen: „Was die Kommunikation nach außen und innen betrifft, so halten wir uns an die Regeln der deutschen Rechtschreibung“, erklärt Alexander Heidel vom Bayerischen Sportschützenbund. „Durch die von Ihnen angesprochene aktuelle Debatte ändert sich für uns diesbezüglich nichts.“
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Hingegen betont die Erzdiözese München und Freising die „aktive Gleichstellungsarbeit“. Verschiedene Schreibweisen seien erlaubt: Mitarbeiter und Mitarbeiterin, Mitarbeitende, aber auch Mitarbeiter:in. Der Doppelpunkt sei auch für das Vorleseprogramm für Sehbehinderte geeignet, also inklusiv. Auch der Katholische Frauenbund betont: Das Verbot sei ein „Rückschritt“, so die Landesvorsitzende Birgit Kainz. „Die KDFB Bundes- und Landesebene nutzen das Gendersternchen, ebenso findet es im Mitgliedermagazin Verwendung. Die Diözesanverbände und Werke entscheiden hier eigenständig.“ Der Bund Naturschutz sieht es ähnlich. Es gab einen Beschluss der Delegiertenversammlung, sagt Sprecher Felix Hälbich. Danach stand fest: „Wir gendern mit Sternchen – sowohl nach außen als auch nach innen.“
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Das bayerische Kultusministerium stellte in einem Rundschreiben an alle Schulen klar: „Somit sind beispielsweise in der Kommunikation mit Eltern oder in Veröffentlichungen der Schule, wie etwa in Jahresberichten oder auf der Schulhomepage, mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen nicht zulässig.“ Auch bei Schulbüchern sei dies künftig zu beachten. Das Verbot betreffe aber nur die staatlichen Schulen (also etwa nicht die städtischen in München). Im Unterricht werden Genderzeichen wie bisher schon angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet.
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Die bayerischen Städte fühlen sich vom Genderverbot „nicht betroffen“, heißt es bei ihrer Interessensvertretung, dem Städtetag. Jede Kommune entscheide autonom. München lässt das Gendern zu, betont OB Dieter Reiter (SPD). Das „Gender-Verbot“ der CSU sei „für München weder relevant noch sinnvoll“. Und: „Inwieweit dieses unnötige Vorschriften-Erlassen der CSU-Staatsregierung, die Menschen also zu bevormunden, mit der von ihr doch so gern zitierten ,Liberalitas Bavariae‘ in Einklang zu bringen ist, bleibt das Geheimnis der CSU.“ Digital-Referentin Laura Sophie Dornheim (Grüne) äußert sich auf X so: „Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Follower*innen: München ist zwar in Bayern, aber als Stadt schon immer ein bisschen toleranter und offener.“ Rasem Baban, Chef vom Tierpark Hellabrunn, sagt: Die Stadt „ist unser Hauptaktionär, wir handhaben das einheitlich, das vermeidet Verwirrung.“ Die Münchner Philharmoniker sehen es ebenso.
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Gemeinden im Landkreis München, die definitiv Sonderzeichen verwenden, sind Ismaning, Taufkirchen und Höhenkirchen-Siegertsbrunn. In Ismaning etwa wird „in allen Artikeln, die nach außen gehen“, das Sternchen verwendet, auch in den Ortsnachrichten. Definitiv gegen das Gendern ist Alling (Kreis Fürstenfeldbruck). Die meisten Städte und Gemeinden in Bayern haben indes gar kein Regelwerk. dw/ska/mbi