Die Saatkrähe auf der Abschussliste

von Redaktion

CSU und Freie Wähler geben Geld für „letale Vergrämung“ des streng geschützten Vogels

VON DIRK WALTER

München – Krah, krah – dieser Ruf löst bei manchen Leuten Allergien aus. Früh morgens um halb vier beginnt am Erdinger Stadtpark das Geschrei der Saatkrähen. Die Klagen sind mittlerweile fast so laut wie das allmorgendliche Krähenkonzert. Abschießen, vergrämen – nur weg mit den Biestern. So wünschen es sich die Anwohner. Doch das ist leichter gefordert als in die Tat umgesetzt. Saatkrähen sind durch das Bundesnaturschutzgesetz und die Europäische Vogelschutz-Richtlinie streng geschützt. Abschuss nicht möglich.

CSU und FW unternehmen nun einen weiteren Anlauf, die Saatkrähen zu dezimieren. Aus frei gewordenen Haushaltsmitteln, die die Fraktionen nach eigenem Gutdünken verteilen durften, schoben sie vergangene Woche 400 000 Euro in ein Projekt zur „letalen Vergrämung“. Was darunter zu verstehen ist, kann der Freisinger FW-Abgeordnete Benno Zierer, einer der Initiatoren des Antrags, gar nicht genau sagen: „Fangen, Schießen, keine Ahnung, irgendwas …“ Sanfte Methoden wie der Einsatz von Falknern und Drohnen seien jedenfalls fehlgeschlagen. Genaueres müssen sich nun Agrar- und Umweltministerium überlegen.

Saatkrähen sind nicht überall Problemvögel, sondern nur in einigen Städten, derzeit etwa am Erdinger Stadtpark, wo – Stand 2023 – 1495 Brutpaare gezählt wurden. Der Park sei „praktisch nicht nutzbar“, sagt Zierer. In Emmering (Kreis Fürstenfeldbruck) klagte ein Landwirt, dass die Saatkrähe sein Saatgut auf dem Acker dezimiere. Auch in Puchheim (Kreis Fürstenfeldbruck) und Dachau leben Saatkrähen-Kolonien. Kotverschmutzte Autos und Hausfassaden sind dort ein Problem.

„Immer wenn irgendwo ein Problem auftritt, dann schießt man den vermeintlichen Schädling ab“, ärgert sich Christine Margraf vom Bund Naturschutz. Dort ist man über diese Mentalität in ernster Sorge – zuletzt gab es massiven Ärger, weil Bayern eine Ausnahmegenehmigung zum Töten von Gänsesägern erwirkte.

Jetzt also die Krähe. Schon heute sitzt die Waffe hier teils recht locker: In Bayern werden Jahr für Jahr etliche tausend Rabenkrähen, eine mit der Saatkrähe verwandte Art, geschossen, in der Saison 2020/21 waren es laut jüngstem Bayerischen Agrarbericht 68 915 Vögel. Während die Rabenkrähe von 16. Juli bis 14. März geschossen werden kann, gilt für die verwandte Saatkrähe ganzjährig Schonzeit.

Die Tiere sehen sich zum Verwechseln ähnlich, nur die Schnabelpartie ist anders: Rabenkrähen haben einen gefiederten Schnabelansatz, Saatkrähen einen nackten, grau-gelblichen Schnabelansatz. Sie leben aber nicht gemeinsam in Kolonien.

Margraf verweist darauf, dass Vergrämungsmöglichkeiten zur Saatkrähe gerade erst in einem dreijährigen Forschungsprojekt des Landesamts für Umwelt (LfU) untersucht worden seien. „Mit dem neuen Antrag, der ausschließlich und undifferenziert auf eine Entnahme der Saatkrähen abzielt, ignorieren die Freien Wähler offenbar die Ergebnisse dieses Projektes“, ärgert sich Margraf.

In drei Berichten hielt das LfU zum Beispiel fest, ob das Beizen von Saatgut gegen Krähen hilft. In der Region von Asbach-Bäumenheim (Kreis Donau-Ries) wurden neun verschiedene Mittel ausprobiert. Ergebnis: Drei hatten eine relativ gute Wirkung, unter anderem Chili-Eukalyptus. Eines – Saatgut wurde mit Rindergalle versetzt – zog die Vögel hingegen sogar noch an. Auch optische Vergrämung mit Flugdrachen hatte eine gute Wirkung, war aber sehr aufwendig. Bei Stadtkolonien wurde festgestellt, dass das Anstechen oder die Entnahme von Eiern hilfreich sein kann – allerdings muss man dazu zu den Nestern hochklettern. Der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat das laut LfU-Bericht schon 2022 abgelehnt. Aufwand und Ertrag, erklärte er, stünden in keinem Verhältnis. Zur Erdinger Kolonie verweist Elisabeth Wölfl vom Landesbund für Vogelschutz auf eine Kompostieranlage in Eitting, die die Erdinger Vögel als Nahrungsquelle entdeckt haben. Auch der LfU-Bericht nannte das eine „plausible Erklärung“.

Es sei ganz erstaunlich, sagt Wölfl: Normalerweise suchten Saatkrähen im Umkreis von zwei bis drei Kilometern Nahrung. Die Anlage ist indes fast neun Kilometer Luftlinie vom Erdinger Stadtpark entfernt – so gut sei das Nahrungsangebot, dass die Krähen diesen Weg auf sich nähmen. „Der Schlüssel zur Dezimierung der Kolonie wäre, diese Anlage abzudecken“, sagt Elisabeth Wölfl vom LBV. Die Tötung von Einzelvögeln beinhalte hingegen das „sehr große Risiko“, dass sich Splitterkolonien andernorts bilden. „Man müsste schon die ganze Kolonie abschießen, aber das ist undenkbar.“

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