Als Mitbringsel ein Mao-Käppi für den Sohn

von Redaktion

ZEITGESCHICHTE Das Treffen von Strauß mit Chinas Vorzeigekommunisten galt 1975 als Sensation

VON DIRK WALTER

München – Das Besuchsprogramm ähnelt sich: Wie nun Söder, so tourte auch Franz Josef Strauß durch das Riesenreich der Mitte: Chinesische Mauer, Verbotene Stadt – solche Höhepunkte dürfen wohl in keinem Besuchsprogramm fehlen. Söder wurde am Mittwoch sogar vom chinesischen Regierungschef Li Qiang, Chinas Nummer 2, empfangen – allerdings nicht vom mächtigsten Mann Chinas, den Staatspräsidenten Xi Jinping. Nur süße Plüschpanda-Kuschelfotos, die Söder nun der Nachwelt überlieferte, sind von Strauß nicht bekannt.

Dafür durfte der Bayer im Januar 1975 ein anderes chinesisches Urviech zwar nicht abbusseln, ihm wohl aber immerhin die Hand schütteln: Der damals schon von Krankheit gezeichnete Mao Tse-Tung (1893-1976) empfing Strauß am 16. Januar 1975 zu einem Staatsbesuch. Erst einige Monate später hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der über die Strauß-Reise etwas irritiert gewesen sein soll, die Ehre.

Es war eine staatspolitische Sensation. Strauß war der erste Deutsche überhaupt, den Mao empfing – der zuvor erst vier europäische Staatsmänner (unter anderem den britischen Oppositionsführer Edward Heath) in Peking gesprochen hatte. Von einer „Verbrüderung von Schlitzohr und Schlitzauge“ schrieb politisch nicht ganz korrekt die SZ. „Für seine Anhänger stellte die Reise eine beeindruckende Demonstration seines weltpolitischen Ranges dar“, resümiert der Historiker Horst Möller in seiner Strauß-Biografie. Und seine Gegner? Nun ja, die schäumten und wunderten sich, dass so einem eingefleischten Kommunistenhasser wie Strauß diese Ehre zuteil geworden war.

Dafür freilich gab es handfeste weltpolitische Gründe. Früher vielleicht als andere hatte Strauß die tiefe Entfremdung zwischen der Sowjetunion und China als Chance begriffen und bemerkt, dass das völlig isolierte China nach Wegen der Annäherung an den Westen suchte. Da kam Strauß gerade recht. Über den chinesischen Botschafter in Bonn ließ der CSU-Chef Besuchschancen ausloten – dann flog er mit seiner Ehefrau Marianne und einem kleinen Begleit-Tross (drei Journalisten; bei Söder ein Dutzend) am 11. Januar 1975 von München-Riem nach Peking. „Meine Mutter hatte erhebliche Angst“, erinnert sich Strauß-Sohn Franz Georg. Die Reise war äußerst strapaziös, führte über Moskau und Teheran. Offenbar war zunächst nicht klar, ob Mao selbst den Gast empfangen würde. Überraschend war schon, dass Ministerpräsident Tschou En Lai, der eigentlich im Krankenhaus war, Strauß nach Mitternacht „zu einem eingehenderen Gespräch mit weltpolitischen Analysen“ (Möller) empfing. Dann kam der große Moment: Strauß wurde plötzlich an der Großen Mauer abgeholt und flog zu einem geheim gehaltenen Ort, vermutlich die Winterresidenz von Mao. Überliefert ist, dass Strauß Englisch redete und den größten Teil der Unterredung bestritt. Mao war jedoch geistig präsent und warf immer wieder kurze Bemerkungen ein. Politisch ergiebiger war allerdings, meint Historiker Möller, die Begegnung von Strauß mit Außenminister Qiao Guan-hua, der in Tübingen über Kant promoviert hatte und wohl gut Deutsch sprach. Es ging um die Weltlage, das sowjetisch-chinesische und das deutsch-sowjetische Verhältnis.

Am 24. Januar – der Staatsbesuch dauerte fast zwei Wochen – machte sich Strauß über Shanghai auf den Rückweg. Er hatte nebenbei eine Beratung Chinas in der Schulpolitik ausgemacht – ein Ministerialdirektor flog in der Folgezeit „unzählige Male“ nach Peking, erinnert sich Franz Georg Strauß, der Zuhause mit einem Mao-Käppi als Mitbringsel überrascht wurde. Für sich selbst hatten die Eltern chinesische Zigaretten mitgebracht, sagt der Sohn. „Aber die waren so stark, meine Mutter hat nur eine geraucht.“

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