KOLUMNE

VON SUSANNE BREIT-KESSLER Brücke ins Leben

von Redaktion

Der Karsamstag ist für eine ganze Reihe von Menschen einer der Werk- und Brückentage, mit denen man aus wenig viel schaffen kann – Urlaub nämlich. Vom letzten Samstag bis zum Sonntag in einer Woche konnte und kann man in diesem Jahr über Ostern Urlaub machen. Mit acht Urlaubstagen hat, wer es geschickt angefangen hat, 16 Tage frei. Ein ganz schönes Plus.

Wer daheim bleibt, nutzt den Karsamstag gerne mal fürs Autowaschen, Einkaufen, Putzen oder Vorkochen. Durchaus praktisch. Aber eigentlich zu wenig im Blick auf seine Bedeutung. Er ist einer der dramatischsten Tage im Kirchenjahr, der Karsamstag. Für mein Empfinden der, der am meisten in den eigenen Grundfesten erschüttert. Der menschenfreundliche Prediger aus Nazareth, eben noch zu sehen beim letzten Abendessen mit seinen Freunden, vor Gericht und beim Verhör durch Pilatus, dem Vertreter der römischen Besatzungsmacht, schließlich auf dem Weg zu seiner Hinrichtung. Gefoltert und elend gestorben am Kreuz. Er ist definitiv tot. Ein Mann, der Welt und Menschen zum Guten verändern wollte und ihnen ein besseres, sogar ewiges Leben verheißen hat. Das Böse, Gemeine und Gewalttätige scheint zu triumphieren. Wie so oft auch in unseren Tagen. Unfassbare Gräuel, herzzerreißendes Leid von Eltern, Kindern, Geschwistern, Eheleuten, Freunden…

Johann Sebastian Bach hat in seiner Johannes-Passion, die in diesen Tagen 300 Jahre alt wird, den zeitlosen Schmerz dieser Welt in eine Sopran-Arie gefasst: „Zerfließe, mein Herze, in Fluten der Zähren, dem Höchsten zu Ehren. Erzähle der Welt und dem Himmel die Not, dein Jesus ist tot.“ Das Liebste ist einem genommen. Was für ein gnadenloser Schmerz. „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ heißt es im Glaubensbekenntnis von Jesus. „Niedergefahren zur Hölle“, hieß es früher und das trifft die Seelenlage derer wohl präziser, die einen bitteren Verlust erleiden. Putzen und Einkaufen hilft da nicht viel. Eher alles anhalten und der Finsternis direkt ins Gesicht sehen.

Denn Karsamstag ist keine Sackgasse. Er ist eine Brücke, die weiter führt. Das ist die Osterbotschaft: Die Hölle ist kein bleibender Aufenthaltsort. Sie darf Menschen im Letzten nicht behalten. Sie sollen Leben haben, jetzt, sofort – und nach dem Tod. Ostern ist der vehemente Widerspruch gegen alles, was Hölle, Tod und Teufel bedeutet. Es ist das Licht, das die realen und bedrückenden Kartage dieser Welt beleuchtet und sichtbar macht. In diesem Licht kann man neue Horizonte erahnen und einen Hauch von Leben spüren. Getroste Ostern wünsche ich.

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