Der rockende Mönch ist tot

von Redaktion

Notker Wolf war Erzabt von St. Ottilien und oberster Benediktiner

St. Ottilien – Wenn Notker Wolf seine silberne Querflöte an den Mund setzte und das legendäre Querflötensolo des Rock-Klassikers „Locomotive Breath“ der Band Jethro Tull spielte, jubelten Jung und Alt. Nicht minder, wenn er „Highway to Hell“ von AC/DC mit ehemaligen Klosterschülern intonierte. Als Rock’n’Roller mit Querflöte und E-Gitarre waren dem Ordensmann von St. Ottilien bei Eresing im Kreis Landsberg am Lech die Schlagzeilen sicher. In der Nacht zum Mittwoch ist Notker Wolf im Alter von 83 Jahren gestorben – in einem Hotel in Frankfurt.

„So wie er gelebt hat, so ist er gestorben“, sagt der jetzige Erzabt Wolfgang Öxler hörbar betroffen unserer Zeitung. Notker Wolf, der von 2000 bis 2016 als Abtprimas der oberste Benediktiner weltweit war, ist am Ostermontag mit einer Reisegruppe des Bayerischen Pilgerbüros nach Italien aufgebrochen. „Ich hatte ihm geraten, nicht zu reisen“, so Öxler. Wolf hätte sich Ostern schon nicht ganz wohl gefühlt. Doch wie in den Jahren, in denen er als Abtprimas durch die Welt jettete, um die 400 Benediktiner-Klöster und 800 Gemeinschaften zu besuchen, hielt er es auch dieses Mal: Ein Notker Wolf ließ sich nicht aufhalten.

In Florenz habe sich Wolf, der an Herzproblemen litt, dann so schlecht gefühlt, dass er zurückfliegen musste. In Frankfurt verpasste er seinen Anschlussflug nach München und übernachtete in einem Hotel. Dort wurde er gestern Morgen tot aufgefunden. Um 9 Uhr gestern Morgen erreichte die Todesnachricht das Kloster. Große Bestürzung herrscht in St. Ottilien und unter den Benediktinern weltweit. „Er war ein ganz positiver Kirchenmann“, umschreibt Öxler seinen Ordensbruder. Einer, der nie abgehoben gewesen sei, immer nah bei den Menschen. Bis zuletzt habe Wolf beim Zukunftsgremium, das St. Ottilien bis zum Jahr 2035 vordenkt, mitgearbeitet. „Wir sind dabei, die Schule neu zu planen – das war ihm ganz wichtig.“

Zu Notker Wolf gehörte untrennbar die Musik. „Er hat jeden Tag auf der Querflöte gespielt“, berichtet Öxler. Einem jungen Mitbruder hat er kürzlich noch Flötenunterricht gegeben. Mit „Feed-Back“, einer Band aus ehemaligen Schülern trat Wolf gerne auf – sogar einmal als Vor-Gruppe von Deep Purple. Seine Fröhlichkeit und Kontaktfreudigkeit öffnete Wolf viele Türen. Gerade um die jungen Leute kümmerte sich der Benediktiner, der 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu geboren worden ist. Nach dem Abitur 1961 trat er in St. Ottilien in den Orden ein. 23 Jahre war er dort Erzabt (1977–2000).

„Lächeln Sie dem Leben entgegen. Und nehmen Sie es dennoch nicht zu leicht“, war eine seiner Weisheiten, die er in zahlreichen Büchern hinterlassen hat. Notker Wolf war ein gefragter Interview- und Gesprächspartner. Zum jetzigen Erzabt bestand „ein sehr gutes Verhältnis. Das ist nicht immer so, wenn der Vorgänger noch da ist“, sagt Erzabt Öxler. Seinen 80. Geburtstag hatte Notker Wolf nicht feiern können – wegen Corona. „Beim 85. hätten wir noch mal auf die Pauke gehauen“, sagt er mit wehmütigem Lächeln. Notker Wolf sei ein Wanderer zwischen den Welten gewesen. Die vielen Flüge und Begegnungen hätten ihm nichts ausgemacht – bis zuletzt.

Am Samstag ist um 10.30 Uhr das Requiem in St. Ottilien, anschließend wird der Benediktiner auf dem Klosterfriedhof beigesetzt. Wie viele Trauergäste kommen werden, kann Erzabt Öxler jetzt noch gar nicht abschätzen. „Viele, viele“, sagt er. Auch zahlreiche ehemalige Schüler dürften zum Abschied kommen. Aus Rom reist der jetzige Abtprimas Gregory Polan zur Beisetzung. CLAUDIA MÖLLERS

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