München – Brigitte Montagni hat es immer wieder mit Aggressionen zu tun. Eigentlich ist sie Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin. Am Klinikum Starnberg arbeitet sie aber als Deeskalations-Trainerin. Denn dort haben es Ärzte oder Pflegekräfte immer wieder mit Drohungen oder Beleidigungen zu tun. Oft werden sie von Patienten ausgesprochen, manchmal auch von deren Angehörigen. Auch Sicherheitspersonal gibt es im Starnberger Krankenhaus. Zum Beispiel, um das Personal nach der Schicht zum Auto zu begleiten, wenn sie mit Drohungen konfrontiert waren. Bis jetzt lief alles aber immer glimpflich ab, berichtet Montagni. Nonverbale Übergriffe wie Festhalten, Schlagen oder Kratzen seien selten. Einmal im Monat bietet die 45-Jährige für die Mitarbeiter der Klinik ein zweitägiges Deeskalationstraining an. Die Teilnehmer lernen, wie sie die Stimmung beruhigen können, wenn es hoch emotional wird.
Zu solchen Momenten kommt es natürlich nicht nur im Klinikum Starnberg. Deutschlandweit steigt die Zahl der Gewalttaten in medizinischen Einrichtungen – seit 2019 sind die Fälle um etwa 18 Prozent auf mehr als 6190 Taten im Jahr 2022 gestiegen. Die Bundesländer Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind noch nicht eingerechnet, da die Vorfälle bei ihnen nicht in der Statistik des Landeskriminalamts, sondern gesondert erfasst werden. Außerdem kann man davon ausgehen, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Viele Fälle verbaler Gewalt oder Bedrohung werden gar nicht erst erfasst. In Bayern ist die Zahl der Fälle seit 2019 nur leicht gestiegen – von 1335 auf 1416 im Jahr 2023. Allerdings gab es 2018 noch deutlich weniger Vorfälle in medizinischen Einrichtungen (919).
Gewalt in Krankenhäusern ist kein neues Problem, sagt auch Eduard Fuchshuber, Sprecher der bayerischen Krankenhausgesellschaft. „Vor allem in den Notaufnahmen ist das schon lange ein Thema.“ Viele Kliniken im Freistaat hätten längst darauf reagiert und Sicherheitskräfte eingestellt. „Vor allem während der Wiesn-Zeit ist das in München so“, sagt er. Denn häufig sind Alkohol- oder Drogenkonsum die Ursache dafür, dass Patienten oder Angehörige aggressiv werden. Manchmal hänge es aber auch mit der Extremsituation zusammen, erklärt Fuchshuber. Aus Hilflosigkeit werden dann Beleidigungen. „Viele kommen mit dem Anspruch ins Krankenhaus, dass ihnen sofort geholfen werden muss – die Notaufnahmen sind aber oft überlastet. Auch wegen Patienten, die keine Notfälle sind und sich eigentlich an den Bereitschaftsdienst hätten wenden müssen.“ Manchmal hilft es, wenn Patienten verstehen, warum andere schneller behandelt werden, berichtet er. Das Krankenhaus in Rosenheim habe zum Beispiel Bildschirme aufgehängt, auf denen die Wartenden sehen, wie die Notaufnahme aktuell belegt ist. Dort wo es rot leuchtet, wird um das Leben eines Patienten gekämpft. „Dadurch wächst das Verständnis dafür, dass Ärzte erst mal woanders hinrennen“, sagt Fuchshuber. Andere Krankenhäuser hätten in Snack- oder Getränkeautomaten im Wartebereich investiert, um Patienten oder Angehörige zu gedulden. Doch nicht jede Aggression lasse sich mit Aufklärung oder Prävention abfangen. „Manchmal hilft nur der Schutz durch Sicherheitskräfte.“
Peter Bobbert vom Ärzteverband Marburger Bund fordert angesichts der steigenden Fallzahlen, die Sicherheitsvorkehrungen in Kliniken und Gesundheitseinrichtungen weiter zu erhöhen. „Wir dürfen die Augen nicht vor diesem Problem verschließen.“ Auch Deeskalationsschulungen für die Mitarbeiter hält er für sinnvoll. Eine gute Kommunikation sei der Schlüssel, sagt die Starnberger Deeskalations-Trainerin Brigitte Montagni. „Dadurch entstehen viele Konflikte gar nicht erst.“