Die Münchner drängen nach Mühldorf

von Redaktion

Teure Immobilien in der Stadt erhöhen den Druck aufs Land – mit Folgen für die Einheimischen

München – Wie sieht Bayern in der Zukunft aus? Wie viele Menschen leben hier? Wie viele Kindergartenplätze werden gebraucht? Wie viele Pflegeplätze? Damit Dörfer, Städte, Landkreise besser planen können, erstellt die Bertelsmann Stiftung den „Wegweiser Kommunen“. Am Dienstag ist die Bevölkerungsvorausberechnung bis 2040 erschienen.

Die Entwicklung wird unterschiedlich ausfallen: Bevölkerungsrückgänge in Oberfranken und in Teilen der Oberpfalz – Zuwächse in Schwaben, Nieder- und Oberbayern, Unterfranken werde weitgehend stagnieren. Die Stadt München wächst offenbar nicht mehr stark – das Wachstum wird auf plus 0,8 Prozent bis 2040 geschätzt. Die Entwicklung in den Kreisen und kreisfreien Städten liegt zwischen plus 11,5 Prozent im Kreis Mühldorf am Inn und minus 6,1 Prozent im Landkreis Kronach.

Der Kronacher Landrat Klaus Löffler (CSU) sieht die Zukunft seiner Heimat nicht so düster – die Zahlen anderer Erhebungen seien deutlich schlechter gewesen. Und man arbeite an der Zukunft: Am neuen Lucas-Cranach-Campus sollen Ende des Jahres schon 300 Studenten studieren, die beschlossene Verlagerung der Beamtenfachhochschule von Herrsching nach Kronach sei ein „zusätzlicher wichtiger Impuls“, der den Landkreis „nicht nur attraktiver, sondern auch jünger“ mache.

Sein Mühldorfer Kollege Max Heimerl (CSU) erklärt sich die Attraktivität seines Landkreises mit den „vergleichsweise noch moderaten Mieten und Immobilienpreisen“, der Fertigstellung der A94, der „sehr guten Bahnanbindung“ und dem Hightech-Standort mit vielen mittelständischen Unternehmen. Nicht zuletzt habe die Region einen hohen Freizeitwert. Er sagt aber auch: „Natürlich verursacht ein Mehr an Menschen auch ein Mehr an Bedarfen. Die Kosten für Wohnraum sind in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen.“

Wie lebt es sich in den beiden Landkreisen im Moment? Ein Überblick.

Mietmarkt

Walter Spielmann (53) ist seit 1997 Immobilienmakler im Kreis Mühldorf. Er sagt, die Nachfrage nach Mietobjekten ist dort sehr hoch: „Wir haben fast schon Münchner Verhältnisse.“ Weil die TH Rosenheim in Mühldorf einen Campus betreibt, sind Ein-Zimmer-Appartements sehr gefragt, der Quadratmeterpreis liegt bei 20 Euro Kaltmiete. Auch für größere Wohnungen steigen die Mieten stetig, sagt Spielmann. „Junge gebrauchte Drei-Zimmer-Wohnungen kosten zwischen 9,50 und 13 Euro kalt“, sagt er. Obwohl zuletzt viel Wohnraum geschaffen worden sei, gebe es zu wenig – jede Wohnung könnte er an zehn gute Bewerber vermieten. Er schätzt, dass mehr als 40 Prozent neuer Mieter aus München und dem Speckgürtel kommen, denen die Preise dort zu hoch sind. In der Stadt liegen die Quadratmeterpreise bei Neuvermietungen zwischen 19 Euro (Milbertshofen) und 28 Euro (Altstadt-Lehel).

Im Kreis Kronach hat Makler Niclas Wich (25) einen guten Überblick über die Preise. Eine kleine Wohnung (30 bis 40 Quadratmeter) kostet kalt etwa 300 Euro im Monat, eine größere (70 bis 80 Quadratmeter) 600 bis 800 Euro. Wich kann die Bevölkerungsprognose bis 2040 nicht ganz verstehen – die Nachfrage sei sehr groß. Der neue Campus ziehe viele Studenten an, innovative Verkehrsprojekte wie autonom fahrende Busse Ingenieure – das wirkt sich auch auf den Wohnungsmarkt aus. Nur Immobilien für den Einzelhandel seien problematisch, in dem Bereich gibt es viel Leerstand: „Die Einkaufsstraßen sehen nicht mehr aus wie vor zehn Jahren.“ Fachgeschäfte würden durch Imbisse verdrängt – oder gar nicht mehr vermietet.

Immobilien kaufen

Im Kreis Mühldorf sieht Makler Spielmann seit Januar wieder eine gestiegene Nachfrage nach Kauf-Immobilien –und zwar zu 85 Prozent von Münchnern. Ein ordentliches Einfamilienhaus kostet im Schnitt zwischen 500 000 und 800 000 Euro. „In München zahlt man mindestens das doppelte“, sagt Spielmann. Das hat Auswirkungen: „Die Einheimischen werden verdrängt.“ Erst seien Interessenten aus dem Nachbarlandkreis Erding in den Kreis Mühldorf gekommen, weil es denen daheim zu teuer geworden sei. Jetzt müssten die Einheimischen noch weiter in den Osten, weg von München, um sich ein Haus leisten zu können.

Auch der Kronacher Makler Wich hat immer wieder Interessenten aus Städten mit hohen Kaufpreisen: Erlangen, Nürnberg – aber auch München. Auf den Dörfern bekommt man für 200 000 Euro ein Haus mit Garten. In der Stadt Kronach kostet ein durchschnittliches Haus etwa 300 000 Euro.

Kosten Nahverkehr

Eine Einzelfahrkarte für Erwachsene kostet im Kreis Mühldorf in der niedrigsten Preisstufe 2,60 Euro, im Kreis Kronach 3,25 Euro. Für 3,90 Euro fährt man in München im gesamten Innenbereich M eine Strecke.

Restaurant-Besuch

Gastro-Preise sind als Vergleichsgröße nur bedingt geeignet – Faktoren wie Lage, Qualität und Konkurrenz sind entscheidend. Einige Schlaglichter: In Kronach kostet ein Schweineschnitzel mit Pommes und Salat 13,80 Euro (Gasthaus „Frische Quelle“), in Mühldorf ohne Salat 14,90 Euro („Zum Steer“). Im Münchner „Steinheil 16“ kostet ein Schnitzel mit Pommes und Salat 17,90 Euro. Ein Latte macchiato steht mit 4,20 Euro auf der Karte. In Kronach zahlt man im „Lieblings-Eck“ 2,50 Euro, in Mühldorf 4,10 Euro („Gelis Café“). CARINA ZIMNIOK

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