München – 16 vollendete Banküberfälle, 73 Geiseln und eine Beute von 4,7 Millionen D-Mark: Man könnte meinen, diese Bilanz ist genug für ein kriminelles Leben. Nicht aber, wenn man Harald Zirngibl heißt. Dieser Name ist berüchtigt. Als Besenstiel-Räuber spielte der Münchner in den 1990er-Jahren Katz und Maus mit der Polizei. Am 3. November 1998 endete sein Raubzug. Bei seinem letzten Überfall in Percha wird er gefasst und 1999 zu dreizehneinhalb Jahren Haft verdonnert. Das war aber nicht das Letzte, was die Stadt von Zirngibl hören sollte. 2016 versuchte er, den FC Bayern zu erpressen. Besonders schlau ging der heute 72-Jährige dabei nicht vor und landete für viereinhalb Jahre flugs wieder hinter Gittern.
„Die Gefahr lauert immer und überall“, war der Brief überschrieben, der am 9. Februar 2016, einem Faschingsdienstag, an der Säbener Straße eingeflattert ist. Darin drohte der Erpresser dem Rekordmeister damit, dass auch mal eine ferngesteuerte Drohne über dem Parkplatz des Fußball-Bundesligisten kreisen könnte. Um ein Blutbad zu vermeiden, solle der FC Bayern drei Millionen Euro zahlen.
Die Ermittlungsgruppe „Südstern“ leitete Kriminaldirektor Stefan Kastner, der 1998 als SEK-Chef an der Großfahndung nach dem Besenstiel-Räuber beteiligt war. Dass er den hochkriminellen Mann nun wieder ins Gefängnis bringen konnte, schließt den Kreis. Und rundet eine Geschichte ab, die wie ein schlechter Roman klingt.
Denn: Zirngibl war bei seinen Banküberfällen immer sehr höflich, sagte Bitte und Danke, bot Schwangeren und alten Geiseln einen Stuhl an. Das brachte ihm den Spitznamen Gentleman ein. Besenstiel-Räuber wurde er zudem genannt, weil er seine Gefangenen gern eingeschlossen und die Türen mit einem Besenstiel zusätzlich abgesichert hatte. Die ganzen skurrilen Details seiner kriminellen Laufbahn wollte der Münchner zu Geld machen.
2011 war er dreist genug, ein Buch über seine Taten zu schreiben. Und die Presse zur Veröffentlichung an seinen Küchentisch zu bitten. „Ich war der Besenstiel-Bankräuber: Mein gescheiterter Traum“ lautete der Titel seiner 208 Seiten dicken Erzählungen über seine Verbrechen. Das Gehabe des Gentleman-Kriminellen fand Kriminaldirektor Stefan Kastner schon damals unverschämt: „Der Mann hat 73 Geiseln zum Teil schwerst traumatisiert. Da kann man nicht von Höflichkeit sprechen“, sagte er nach seinem Fahndungserfolg 2016. Der Täter selbst sah spät ein: „Ich habe viele Menschen zutiefst erschreckt. Das tut mir leid.“ Auch seine umfassende Polizeischelte hat Spuren hinterlassen. „Heute denke ich mir oft“, sagte er später, „Mein Gott, bist Du blöd gewesen.“
Zumindest war er mit seiner Masche sechs Jahre lang erfolgreich. Gleich bei seinem ersten Coup, dem Überfall auf die Sparkasse Bernried 1992, kassiert der Besenstielräuber 122 000 Mark. Ein Datum, das den Beginn eines Größenwahns darstellt. Denn ab diesem Zeitpunkt lebte der damals 55-Jährige in Saus und Braus: Er fuhr schöne Autos, mietete für teuer Geld ein Büro im Herzen der Stadt, irgendwann lebte er nur noch in Spanien und flog für seine Überfälle ein.
Wie hoch die kriminelle Energie des Besenstiel-Räubers war, bekamen Bankangestellte in Feldafing, Gelting, Wörthsee, Viecht, Percha, Fürstenried, Sauerlach und Straßlach zu spüren, Am häufigsten hatte Harald Zirngibl in den Filialen Münchner Banken zugeschlagen. Und sich damit einen traurigen Platz in der Kriminalgeschichte gesichert.
NADJA HOFFMANN