Die CSU-Politikerin Ilse Aigner ist seit zweieinhalb Jahren Vorsitzende von Donum Vitae in Bayern – einem Verein von Christen, der auch Frauen in Schwangerschaftskonflikten berät. Sollte nun die Abtreibungsregelung aus dem Strafrecht gestrichen werden, befürchtet sie eine die Gesellschaft spaltende Debatte.
Derzeit ist eine Abtreibung grundsätzlich strafbar. Sie bleibt aber in den ersten drei Monaten straffrei, wenn sich eine Frau beraten lässt – etwa bei Donum Vitae. Warum ist Beratungspflicht für Sie unverzichtbar?
Die Beratungspflicht hat vor über 30 Jahren den Kompromiss überhaupt möglich gemacht. In der Abwägung zwischen den beiden Rechtsgütern „Schutz des Lebens“ und „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ befindet man sich in einem Dilemma. Die Beratungspflicht hat Frieden in das ganze Thema gebracht. Als Donum Vitae haben wir festgestellt, dass die Beratung in doppelter Anwaltschaft – für das ungeborene Leben und für die Belange der Frauen – den Schwangeren sehr guttut. 82 Prozent der Frauen haben erklärt, dass die Beratung sie entlastet habe. Ohne die gesetzlich verankerte Pflicht wären nur noch 37 Prozent zum Gespräch gekommen. Das zeigt, welche positiven Auswirkungen diese Pflicht hat.
Die SPD sieht in der Tatsache, dass Abtreibung im Strafgesetzbuch angesiedelt ist, eine Stigmatisierung von Frauen. Wie sehen Sie das?
Durch die Beratung kann eine schwangere Frau einen Abbruch straffrei vornehmen lassen. Eine Beratung hilft und ist keine Stigmatisierung. Es ist eine Dilemma-Situation – und es geht nun einmal auch um eine zweite Person, nämlich das ungeborene Leben.
Bundeskanzler Scholz wirbt für eine respektvolle Diskussion. Geht das bei diesem emotionalen Thema?
Ich kann das nur unterstützen, was der Kanzler sagt. In einer solchen Frage muss man mit Sicherheit respektvoll miteinander diskutieren. Ich habe das damals miterlebt, wie schnell es zu einer aufgeheizten Diskussion kommen kann. Deshalb waren wir alle so froh, dass man einen Kompromiss gefunden hat, der befriedend gewirkt hat. Ich verstehe wirklich nicht, warum man dieses Thema ohne Not auf die Tagesordnung heben muss.
Und es landet wieder vorm Bundesverfassungsgericht.
Ja, so ist es, denn es geht um einen Menschen, auch wenn dieser Mensch noch ungeboren ist. Es ist Ausdruck aus den Lehren unserer Geschichte, dass man mit Leben sorgfältig umgeht. Man kann durch Beratung straffrei bleiben – das bleibt die beste Lösung. Leider geht jetzt die Debatte wieder vor vorne los – damit tut man weder den Frauen noch dem ungeborenen Leben einen Gefallen. Und der Gesellschaft schon gleich gar nicht, weil es ein Thema sein wird, das sie spaltet.
Interview: Claudia Möllers