Minister erzürnt Denkmalschützer

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Festakt, Führungen, Jubiläumsausstellung – mit großem Aufwand wurde im vergangenen Jahr der 50. Jahrestag des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler, kurz Bayerisches Denkmalschutzgesetz, gefeiert – jenes Gesetzes, das mittlerweile über 100 000 Baudenkmäler und fast 50 000 Bodendenkmäler vor der Zerstörung bewahrt. Oder sollte man sagen: bewahren sollte?

Seit einiger Zeit mehren sich besorgte Stimmen, die eine Aushöhlung des Denkmalschutzes befürchten. Behörden schreiten nicht ein, jedenfalls nicht rechtzeitig, Personal zur Überwachung fehlt, Engagement auf dem Land lässt unter Investorendruck nach – das sind einige der Klagen. Der landesweit bekannt gewordene Abriss des Uhrmacherhäusls in München-Giesing ist nur ein Beispiel. Der Landesverein für Heimatpflege hat 2022 sogar damit begonnen, argwöhnisch beäugt vom staatlichen Landesamt für Denkmalpflege, eine Liste mit den „Abrissen des Jahres“ zu erstellen – mit Beispielen bedrohter denkmalwürdiger Bauten.

In dieser Situation hat nun Bayerns Wissenschaftsminister am 18. März einen fünfseitigen Brief verschickt, in dem er vorschlägt, das Denkmalschutzgesetz in das Megaprojekt Bürokratieabbau einzubeziehen. Minister Markus Blume (CSU) schlägt vor, „Instrumente zur Deregulierung“ zu nutzen und nennt gleich einige Beispiele, die der stellvertretende Vorsitzenden des Heimatpflege-Landesvereins, Prof. Günter Dippold, „erschreckt“ zur Kenntnis genommen hat. „Es ist die Denke, die dahinter steht, die stutzig macht“, sagt Dippold, der auch Bezirksheimatpfleger in Oberfranken ist. So bringt Blume „die Einführung eines gesetzlich geregelten Mindestalters für Denkmäler“ ins Spiel und nennt auch gleich eine Grenze: 50 Jahre alt müsse ein Bau schon sein, damit er denkmalwürdig sei. „Absurd“ finden das verschiedene Experten, die lieber ungenannt bleiben. Wenn man so vorgehe, dann hätte zum Beispiel das Münchner Olympiastadion 1997 – damals 25 Jahre alt – nicht unter Denkmalschutz gestellt werden können.

Ähnliche Ablehnung schlägt Blume dabei entgegen, „ein gut durchdachtes System der Gruppierung von Baudenkmälern“ zu schaffen. Ein genauer Vorschlag liegt noch nicht vor, aber eine Differenzierung nach den Kategorien „unantastbar“ oder (nur) „erhaltenswert“ schwebt dem Ministerium und seinem Referatsleiter für Denkmalschutz und Denkmalpflege offenbar vor. „Diese Vorgehensweise wäre vom Grundsatz her falsch“, sagt Dippold. Am Schluss seien nur Neuschwanstein und Kirchen wichtig, Feldscheunen oder Genossenschaftshäuser nicht – „das ist doch Käs“.

Noch hat sich der Landesdenkmalrat mit seinem Vorsitzenden Robert Brannekämper (CSU), bekannt als konsequenter Gegner des Hochhausbaus in München, nicht positioniert – die Frist zur Stellungnahme läuft erst Ende Oktober ab. Man könne „überlegen, wo kann die Verwaltung vereinfacht werden“, sagt Brannekämper unserer Zeitung. Aber die Stoßrichtung werde wohl eine andere sein, als im Schreiben vorgeschlagen. Es sei wichtig, die finanzielle Förderung für Denkmalpflege zu erhöhen Für den Gedanken, eine Jahresfrist für Denkmäler einzuziehen, ist er nicht zu erwärmen. „Ich denke, es gibt auch andere Ideen.“ Gut fände der Abgeordnete aber, Denkmäler zu klassifizieren. „Heute wird jedes Denkmal gleich behandelt. Da muss man hinschauen.“

Bisher nicht positioniert hat sich das Landesamt für Denkmalpflege. Der Chef der Behörde, Mathias Pfeil, gilt indes als nachgiebig, wenn das Ministerium eine Marschrichtung vorgibt. Zuletzt erregte er mit Fachfremdem Aufmerksamkeit: Er hatte im Januar an der Gründungsversammlung des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) in Berlin „als Gast“ teilgenommen und ohne Erläuterung 30 Fotos von der Veranstaltung auf Facebook gepostet. Der Denkmalchef – ein Sympathisant von Sahra Wagenknecht? Die Sache sei ausgeräumt, sagt Brannekämper, der Pfeil darauf angesprochen hat. „Mitglied beim BSW will er nicht werden.“ Pfeil äußert sich dazu auf Anfrage nicht.

Blume selbst sagt: „Ich habe Fragen übermittelt. Keine Vorschläge. Keine Vorgaben.“ Er wünsche sich „eine ergebnisoffene Diskussion“. Es sei nicht so, dass er überall auf Zustimmung drängen würde, sondern er wünsche sich jetzt erst einmal eine klare Positionierung des Denkmalschutzrates zu den Fragen, die im Brief aufgeworfen worden seien. Da gebe es keine Eile.

Artikel 9 von 11