Sengenthal – „Sehr geehrte Fahrgäste“, sagt eine Stimme vom Band, „da wir uns im Testbetrieb befinden, kann es jederzeit zu einem Nothalt kommen.“ Dann schließen die Türen, es summt, leise setzt sich die Magnetschwebebahn in Bewegung. 80 km/h sind ruckzuck erreicht. Einen Nothalt gibt es nicht – trotzdem ist die Fahrt nach 20 Sekunden schon beendet: Ein rotes Signal zeigt das Ende der Teststrecke an, die nur 850 Meter lang ist.
Seit 2017 schwebt das „Transport System Bögl“, kurz TSB, auf einer kurzen Betontrasse am Bögl-Hauptsitz in Sengenthal nahe Neumarkt in der Oberpfalz. Hin und her und her und hin – weit über 100 000 Mal bisher. Meist sind es Leerfahrten, neuerdings aber kann Andreas Rau (35), Produktmanager beim TSB, über eine steigende Anzahl von Neugierigen berichten, die einmal mitfahren wollen. Ministerpräsident Markus Söder würde das TSB gerne im Echtbetrieb in Bayern sehen – für eine 4,5 Kilometer lange Strecke in Nürnberg von der neuen TU bis zum Südklinikum läuft eine Machbarkeitsstudie. „Wir brauchen endlich eine richtige Strecke“, sagt Manager Rau.
Bisher konnte das TSB auch irgendwie als Spleen zweier Baulöwen missverstanden werden, die offenbar einige Millionen Spielgeld für eine verrückte Privatbahn übrig haben. Stefan Bögl, Vorstandschef der Baufirma Max Bögl, und sein Bruder Johann Bögl, der Aufsichtsratsvorsitzende, meinen es aber offenbar ernst. Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag haben sie bisher in das TSB gesteckt – in der Hoffnung, dass das Investment irgendwann Früchte trägt. Immer wieder wird es auf Messen vorgestellt, demnächst etwa in Abu Dhabi. Das Geld wird derweil woanders verdient. Wer sich auf der Staatsstraße 299 dem Firmensitz nähert, dem kommt gefühlt alle 500 Meter eines der markant gelben Baufahrzeuge mit dem roten Signet „mb“ entgegen. Der Baukonzern – 2,7 Milliarden Euro Jahresumsatz, 6500 Mitarbeiter weltweit – ist regional, aber auch international eine Macht. Türme für Windräder, Fertigteile für Amazon-Hallen, Schwellen für die Bahn – (fast) überall, wo Beton drin ist, steht Bögl drauf. Auch am Bau der 2. Stammstrecke in München ist das Unternehmen beteiligt.
Experimentierfreudig sind die Bögls aber auch: Es gibt schon Mischungen für Beton ohne Zement, erzählt Manager Rau. Auf einem Baggersee neben dem Firmengelände schwimmt eine PV-Anlage, die größte ihrer Art in Bayern.
Und es gibt das TSB: Nein, es ist kein Transrapid, betont Rau ein ums andere Mal. Der Unterschied ist die Technik: Statt im Fahrweg sitzt die Magnet-Antriebstechnik im Fahrzeug. Zwei Gleitschienen, die in dem Beton-Fundament installiert sind, versorgen das Fahrzeug mit Strom. 80 km/h sind mit Besuchern die Höchstgeschwindigkeit, auf einer 3,5 Kilometer langen Teststrecke in Chengdu/China darf auch 150 km/h gefahren werden. Das Fahrzeug ist also langsamer als der Transrapid, der einst auf der Versuchsstrecke im Emsland über 400 km/h erreichte, ehe die Tests nach einem Unfall mit 23 Toten 2006 eingestellt wurden.
Das TSB ist für den lokalen Einsatz vorgesehen, die Bögls sprechen in einer Präsentation von einem „zukunftsorientierten Nahverkehrsansatz“. Auf dem Papier ist schon alles vorbereitet: Es gibt eine Magnetbahnbau- und Betriebs-Verordnung, ein Magnetschwebebahngesetz, ein Magnetbahn-Planungsgesetz. Das TSB ist vom Eisenbahnbundesamt freigegeben, wochenlang haben die EBA-Leute in Sengenthal Fahrzeug, Fahrweg und die Betriebsleitzentrale in einem Hochhaus gleich neben der Teststrecke geprüft, berichtet Rau. Innen drin ähnelt das TSB einer U-Bahn, auch die Ausmaße sind identisch. „Das TSB würde in jeden U-Bahn-Tunnel passen“, sagt Rau.
Hauptproblem ist indes die mangelnde Kompatibilität, also die Anschlussfähigkeit in bestehende Verkehrsströme. Der Fahrweg für das TSB muss kreuzungsfrei sein, da das Betonfundament, auf dem das TSB fährt, innen hohl ist und nur schwer ebenerdig überquert werden kann. Das bedeutet: Entweder jeder Fußgängerüberweg und jede Straße wird unten durchgeführt. Oder die Bahn wird auf Stelzen durch die Stadt geführt – mit der Folge, dass auch für die Bahnhöfe aufwendig Plattformen, Treppen und Aufzüge in die Höhe gebaut werden müssten.
Das könnte auch den Bau in einer dicht besiedelten Stadt wie Nürnberg erschweren. Im Sommer sollen erste Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vorliegen.