München – Es ist der 11. März 1849. Der Gymnasialprofessor am Wilhelmsgymnasium und stadtbekannte Pfarrer Johann Baptist Schwarz liest am frühen Morgen die heilige Messe in der Stiftskirche St. Kajetan (Theatinerkirche). Anschließend geht der 59-Jährige zurück in seine Wohnung im ersten Stock der Sonnenstraße 10. Plötzlich dringen zwei Personen in die Wohnung ein.
Der vorbestrafte Tuchmachergeselle Joseph Stopfer und der Goldschläger-Gehilfe Ludwig Dantinger wollen eigentlich „nur“ schnell eine Wohnung ausrauben. Die Anwesenheit des Priesters habe sie überrascht, sagt Helmut A. Seidl, emeritierter Sprachwissenschaftler, Geschichtsforscher und Autor des Buches „Mord nach der Messe“ (Volk Verlag, 18 Euro). Aus Angst, erkannt zu werden, greift das Duo zu Gewalt: Einer hält das Opfer fest, der andere schneidet ihm die Kehle durch. Als die beiden das Haus verlassen, werden sie von zwei Münchnerinnen gesehen.
Gleicher Tag, neun Uhr. Josepha Schwarz, die Schwester des Priesters, kommt ins Haus: Ein Fenster ist eingeschlagen, am verbogenen Eisengitter klebt Blut. „Sie vermutete Einbrecher in der Wohnung und holte sich Hilfe vom Tischlergesellen Andreas Mayer. Er arbeitete ganz in der Nähe“, weiß Seidl. Nervös betreten die beiden die Pfarrwohnung. Die Räume sind durchwühlt, im Arbeitszimmer liegt die blutüberströmte Leiche des Pfarrers. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
Vier Tage später, 15. März: Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen nimmt die Polizei Dantinger und Stopfer mit aufs Revier. Am nächsten Tag sind die beiden schon wieder auf freiem Fuß. Seidl: „Die Zeugen waren sich bei der Identifizierung nicht sicher.“
Über einen Monat später wird das Duo erneut festgenommen. Als Untersuchungshäftlinge sitzen sie in der damaligen Münchner Fronveste am Anger. Ein Geständnis legen sie nicht ab, aber ein Häftling hört sie über die Tat reden. Genau ein Jahr nach dem Mord, am 11. März 1850, beginnt der Prozess vor dem Schwurgerichtshof von Oberbayern in der Alten Akademie.
Die Täter werden schuldig gesprochen. Das Strafmaß: Tod durch das Schwert. König Max der II. wandelt Dantingers Urteil zur Kettenstrafe um, da Stopfer als treibende Kraft im Mordfall gilt. Dantinger verbringt den Rest seines Lebens im Zuchthaus. Eine Woche nach dem Urteil im Mai sind die Straßen im Herzen Münchens überfüllt. Rund 15 000 Schaulustige wollen das blutige Spektakel auf dem Marsfeld sehen.„Es war die Hinrichtung in Münchens Geschichte mit den wohl meisten Zuschauern“, so Helmut A. Seidl.
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