Fürstenfeldbruck/Traunstein – Der Andrang im Landratsamt Fürstenfeldbruck war groß, als dort Anfang des Monats die ersten Bezahlkarten für die Asylbewerber des Ankerzentrums am Fliegerhorst ausgegeben wurden. „Die Neugier auf die neue Karte war groß“, berichtet Wilhelm Dräxler, Integrationsreferent im Stadtrat und Migrationsbeauftragter der Caritas. „Viele der Geflüchteten haben nicht verstanden, dass die Karte Einschränkungen für sie bedeutet.“
Fürstenfeldbruck ist eine von vier Modellregionen in Bayern, in denen Flüchtlinge ihr monatliches Taschengeld nicht mehr in bar ausgezahlt bekommen. Es wird auf die Bezahlkarte geladen, die wie eine Mastercard funktioniert. Die Politik will damit unter anderem verhindern, dass Geld in die Heimatländer der Asylbewerber überwiesen wird. Die Karte war im Vorfeld besonders von Flüchtlingshelfern sehr kritisiert worden. Viele hatten Sorge, dass es technische Schwierigkeiten geben könnte, wenn die Geflüchteten in Supermärkten oder anderen Geschäften damit bezahlen. Doch zu Problemen kam es nur sehr vereinzelt, berichtet Dräxler. Er hält es für wahrscheinlich, dass eher gegen Ende des Monats die Bezahlung an der Kasse gelegentlich nicht funktioniert. „Wenn das Guthaben aufgebraucht ist.“ Die Asylbewerber können den verfügbaren Betrag auf der Karte zwar per App abrufen, überziehen können sie aber nicht.
In Fürstenfeldbruck sind seit dem Start der Pilotphase bereits mehr als 700 Bezahlkarten ausgegeben worden – die meisten davon an Flüchtlinge, die im Ankerzentrum leben. Auch die Menschen aus den Unterkünften in Mammendorf, Gröbenzell und Mittelstetten haben die Karten schon bekommen. Insgesamt gibt es im Landkreis 86 Flüchtlingsunterkünfte. „Wir geben die Karten nach und nach an alle Asylbewerber ab 14 Jahre aus“, berichtet Luitgard Reigl vom Ausländeramt. Eltern kleinerer Kinder bekommen deren Betrag mit auf die Karte gebucht. Für die Behörden bedeute die Karte langfristig eine große Entlastung, sagt Reigl. „Bisher mussten wir für die Bargeldauszahlung immer einen Geldtransporter und Sicherheitsbeamte ins Landratsamt bestellen.“ Nun wird das Geld einfach verbucht. Mit Aushängen in zwölf Sprachen wird den Geflüchteten in den Unterkünften erklärt, wie die Karte funktioniert.
Auch im Landratsamt Traunstein – neben der Stadt Straubing und dem Kreis Günzburg ebenfalls Modellregion – spürt man die Entlastung. Dort gibt es keine große Ankereinrichtung, deshalb waren alle 450 Bezahlkarten innerhalb von drei Tagen ausgegeben. Die Flüchtlinge erhielten dazu ihren PIN-Code und ein Info-Blatt mit QR-Code, sodass sie die Erklärung in ihrer Muttersprache abrufen können. „Kurzfristig war das etwas Mehraufwand, langfristig ist es aber eine große Entlastung“, sagt Sprecher Michael Schürz. „Auch für die Asylbewerber, sie müssen nicht mehr extra ins Landratsamt kommen.“
Michael Maurer von der Sozialberatung der Caritas in Traunstein hatte vereinzelt mit Geflüchteten zu tun, bei denen die Kartenzahlung in Supermärkten der Region nicht funktioniert hat. Die Caritas kann in solchen Fällen Warengutscheine für andere Supermärkte ausgeben, die Rechnung übernimmt der Verband. Christina Hille ist Integrationslotsin der AWO in Traunstein. Sie berichtet, dass die Asylbewerber mit den Karten in einigen Läden nicht mehr einkaufen könnten. „Viele Flüchtlinge kaufen ihre Lebensmittel oder Gewürze in arabischen Geschäften oder ihre Kleidung in Secondhand-Läden, wo es meist keine Kartenlesegeräte gibt.“ Die 50 Euro Bargeld, die die Asylbewerber abheben können, würden dafür nicht ausreichen, sagt Hille. Für Eltern sei es schon schwierig, ihren Kindern davon Schulausflüge oder den Pausenhofverkauf zu bezahlen. Auch Daueraufträge für Handyverträge müssen erst freigeschalten werden. „Ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen geht das meist nicht.“ Der Münchner Flüchtlingsrat berichtet ebenfalls von Problemen in der Praxis. In vielen kleinen Läden wie Bäckereien würden Kartenzahlungen gar nicht oder erst ab bestimmten Beträgen akzeptiert. Auch Überweisungen an Anwälte, deren Hilfe einige Flüchtlinge für ihre Verfahren nutzen, seien noch nicht freigegeben.
Innenstaatssekretär Sandro Kirchner zog gestern eine durchweg positive Bilanz zu den ersten Erfahrungen aus den Pilotregionen. Es hätten bereits einige weitere Landkreise und Städte wegen zeitnahen Einführung der Bezahlkarte nachgefragt, berichtet er. Deshalb soll das neue System bis Anfang Mai in 15 weiteren bayerischen Kommunen eingeführt werden. Bis Ende Juni soll sie bayernweit im Einsatz sein.