Hof – Der Fall Peggy zählt zu den spektakulärsten Kriminalfällen Deutschlands: Das damals neunjährige Mädchen verschwand im Mai 2001 auf dem Heimweg nach der Schule im oberfränkischen Lichtenberg spurlos. Erst 15 Jahre später wurde Peggys Leiche in einem Waldstück in Thüringen an der Grenze zu Bayern entdeckt. Ein Täter ist bis heute nicht überführt.
Doch gestern hat sich das Landgericht Hof wieder mit Peggy befasst. Ihre Mutter Susanne Knobloch hat den Lichtenberger Bestatter Manuel S. auf Schmerzensgeld verklagt – Der 46-Jährige hatte 2018 bei Vernehmungen der Polizei angegeben, Peggys Leiche damals in ein Waldstück geschafft zu haben. Zuvor habe er den leblosen Körper des Mädchens von einem anderen Mann an einer Bushaltestelle in Lichtenberg entgegengenommen. Wenig später warf sein Anwalt der Polizei vor, dem Mann unter Druck gesetzt zu haben. Die Polizei bestritt das zwar, doch der Mann widerrief sein Geständnis damals und kam auf freien Fuß.
Susanne Knobloch wirft S. auch vor, dass er jahrelang über das Versteck der Leiche geschwiegen habe. „Hätte er gesagt, wo sie ist, wären mir die ganzen Schikanen meiner Person erspart geblieben. Die Verleumdungen, die Anzeigen, ich hätte mein Kind verschleppt, die Durchsuchungen und Befragungen“, sagte die 51-jährige Altenpflegerin gestern im Zivilprozess. Für jedes Jahr der Ungewissheit fordert sie 5000 Euro – insgesamt eine Summe von 75 000 Euro.
Gestern erschien Manuel S. im schwarzen Anzug im Gericht. „Ich weiß tausendprozentig, dass ich damit nichts zu tun habe“, sagte er. Er habe der Kripo damals einfach nur eine Geschichte erzählt, damit er seine Ruhe habe und er nach Hause zu seiner Frau und seinen Kindern könne. „Ich war total perplex und überfordert.“
Richter Matthias Goers wollte nochmals in allen Einzelheiten wissen, was er damals über Peggys Schuhe, ihren angeblich im Ofen verbrannten Ranzen und eine rote Decke erzählt habe, in die er Peggys Leiche eingewickelt haben will. Manuel S. reagierte zunehmend ungehalten und bestritt, Peggy überhaupt gekannt zu haben.
Eine Entscheidung fiel zunächst nicht. Der Richter will am 22. Mai verkünden, welche Chancen er der Klage von Peggys Mutter einräumt und ob er in die Beweisaufnahme eintritt. Eine endgültige Aufklärung über den Mord an Peggy ist von dem Verfahren ebenfalls nicht zu erwarten. Nur wenige Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens wurde 2004 ein geistig behinderter Mann aus Lichtenberg als Peggys Mörder verurteilt, in einem Wiederaufnahmeverfahren kam er zehn Jahre später wieder frei. Nachdem 2018 auch der Tatverdacht gegen den damals 41-Jährigen nicht mehr bestand, stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Oktober 2020 ein. Im April 2021 folgte die Beisetzung der sterblichen Überreste des Mädchens an einem geheimen Ort.
Peggys Mutter brach nach dem Prozesstag weinend zusammen und verließ das Gericht durch einen Hintereingang. Währenddessen machte der Anwalt von Manuel S. vor den Kameras der Journalisten eine seltsame Aussage: „Auf welcher gesetzlichen Grundlage ist jemand, der eine Leiche wegbringt, verpflichtet, den Angehörigen zu sagen, wohin?“ mm/dpa