München/Unterschleißheim – Eigentlich ist bei der DHL alles gelb. Zulieferautos, Fassaden der Lieferzentren, auch die Kaffeetasse, die Mustafa Tonguc beim Ortstermin in der Unterschleißheimer DHL-Filiale überreicht. Da überrascht, dass die neueste Investition des Konzerns mausgrau daherkommt: Im Südwesten des Flughafens nahe der Nordallee baut DHL Express ein neues Logistikzentrum für 104 Millionen Euro. Es ist fast fertig, soll im Herbst eröffnet werden. Mustafa Tonguc ist der Chef von DHL Express in Deutschland und gewährt erste Einblicke in seine sehr spezielle Unternehmenssparte.
Viele denken bei DHL an das Päckchen von der Oma oder das Paket von Zalando. Und an manchen Frust, wenn das Paket nicht rechtzeitig kommt, in einer Filiale abgeholt werden muss – oder beim Nachbarn, der natürlich grad dann nicht da ist, wenn man bei ihm klingelt.
DHL Express hat aber nichts damit zu tun. Es ist ein Extra-Dienst von DHL, der eine Lieferzeitgarantie anbietet. 80 Prozent des Geschäfts ist B2B, wie es im Logistiksprech heißt. Das bedeutet: von Unternehmen zu Unternehmen. Mustafa Tonguc nennt ein Beispiel. Wenn Lego einen Produzenten für seine Bauklötzchen sucht, wird weltweit ausgeschrieben. Ein potenzieller Produzent wird eine Materialprobe zum Lego-Konzern schicken, und weil es schnell gehen muss und zuverlässig, macht er das just-in-time und oft mit DHL Express. „Wir sind in mehr Ländern als Coca-Cola vertreten“, sagt der 45-Jährige. „Internationaler geht es nicht.“
Frachtzentrum ist aber nicht gleich Frachtzentrum, in der Welt von DHL Express wird unterschieden nach Service Points, also Annahmestationen, Hubs und Gateways. Einen Hub gibt es nur in Leipzig – es ist ein Drehkreuz für den internationalen Frachtverkehr. Von dort aus starten im Schnitt 70 bis 90 reine DHL-Flugzeuge in alle Welt. Sogar ein Nächster-Tag-Service an die Ostküste der USA ist im Angebot. Möglich ist das, weil Leipzig kein Nachtflugverbot kennt. München ist nur Gateway, das ist eine Stufe unter dem Hub. Es gibt von hier nur ganz wenige DHL-Flieger: einmal täglich nach Leipzig, Montag bis Donnerstag einmal nach East Midlands in Großbritannien sowie freitags nach Malpensa nach Italien. Aufgrund des Nachtflugverbots ist weder München noch Frankfurt ausbaufähig als Hub, sagt Mustafa Tonguc mit leichtem Bedauern in der Stimme – der gebürtige Hesse ist Vielflieger und 6000 Kilometer im Monat per Pkw unterwegs, um die 38 DHL-Frachtzentren regelmäßig zu inspizieren.
Mehr Luftverkehr ist also durch die neue DHL Express-Zentrale am Flughafen München nicht zu befürchten. „Wenn wir wachsen, dann schon, aber in den nächsten ein, zwei Jahren erst mal nicht“, schränkt er ein. Trotzdem ist die Zentrale wichtig, betont Tonguc. Künftig können bis zu 63 Zustellfahrzeuge – mehr als doppelt so viel wie jetzt – gleichzeitig in den Großraum München zu den Kunden starten. Die Mitarbeiterzahl soll sich von 70 auf 140 verdoppeln. Für den Konzern ist das eine wichtige Investition im hart umkämpften Markt der Just-in-time-Zulieferdienste. In Deutschland liegt der Marktanteil von DHL Express bei etwa 40 Prozent, stärkste Wettbewerber sind UPS und FedEx. „Wir haben noch Potenzial“, sagt Tonguc.