München – In Italien gilt sie schon als 5. Mafia. Dass die „Black Axe“-Bruderschaft längst auch in Deutschland ihr Unwesen treibt, war weitgehend unbekannt. Bislang. Denn nun ist der Staatsanwaltschaft München I., dem Landeskriminalamt und den Polizei-Präsidien Oberbayern Süd sowie Schwaben Nord ein wichtiger Schlag gegen die kriminelle Vereinigung gelungen. Bei einer großen Durchsuchungsaktion wurden am Dienstag 19 Wohnungen auf den Kopf gestellt und elf Männer zwischen 29 und 53 Jahren verhaftet.
„Dabei handelt es sich um die Hintermänner und Rädelsführer“, erklärte Staatsanwalt Carlos Dastis gestern bei einer Pressekonferenz. Den Ermittlern war es nach zwei Jahren akribischer Ermittlungsarbeit wichtig, auf höchster Ebene zuzuschlagen. Geschehen ist dies in München, Miesbach, Fürstenfeldbruck, Rosenheim, Augsburg, Landsberg am Lech, im Landkreis Tübingen und in Filderstadt (beides Baden-Württemberg), im hessischen Hochtaunuskreis sowie Frankfurt und letztlich auch in Hamburg. Dort lebt der Kopf der Nigeria-Mafia.
Die „Black Axe“-Bruderschaft, die unter dem Deckmantel karitativer Ziele operiert, ist streng hierarchisch aufgebaut. Es gibt neben dem Deutschland-Chef der „Head Germany Zone“, einen Statthalter im Freistaat, der „Sub-Zone“, außerdem einen Zeremonienmeister (Chief Priest) und einen Vollstrecker für disziplinarische Maßnahmen (Butcher), der eine eigene Peitsche besitzt.
Dermaßen aufgestellt hatte die Bruderschaft in Deutschland nur ein Ziel: einsame Herzen abzocken. Beim Love-Scam wird den Opfern eine Fernbeziehung vorgetäuscht, bei der es irgendwann um Geld geht. Im Liebeswahn werden hohe Summen gezahlt, um den Angebeteten aus einer (erfundenen) Notsituation zu helfen. Dass weder der Partner echt ist noch die Beziehung, erkennen die Opfer spät. Allein in Bayern gab es 2023 mehr als 450 Fälle. Dabei wurden die Opfer um 5,3 Millionen Euro gebracht. Die Dunkelziffer: wohl viel höher. Staatsanwalt Maximilian Kraus geht europaweit von einem immensen Millionen-Schaden aus. Er beschreibt das Geldwäsche-System, bei dem die Beute über diverse Konten und Firmen nach Afrika gelangt, als „systematisches Chaos“.
Umso wichtiger der Fahndungserfolg, den Justizminister Georg Eisenreich (CSU) lobt: „Bayern geht konsequent gegen den modernen Heiratsschwindel vor.“ Dazu gehört laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die beschlagnahmten Beweismittel nun akribisch auszuwerten – um weitere Betrüger hinter Gitter zu bringen. Die Ermittler hoffen, dass sich möglichst viele Opfer noch trauen, Anzeige zu erstatten. Das geschehe oftmals nicht – aus Scham. NADJA HOFFMANN