Wie ein Besuch in einem fremden Land

von Redaktion

INTERVIEW Historiker Nadler über die Bayerische Landesausstellung, die 1300 Jahre zurückführt

Noch eineinhalb Wochen, dann öffnet (am 7. Mai) die Bayerische Landesausstellung im Diözesanmuseum Freising. Das Thema führt 1300 Jahre zurück: „Tassilo, Korbinian und der Bär – Bayern im frühen Mittelalter“ erzählt am Beispiel des legendären Bayernherzogs Tassilo und des ersten Freisinger Bischofs Korbinian, wie Altbayern ganz, ganz früher einmal war. Ein Gespräch mit Projektleiter Michael Nadler.

Der Untertitel der Ausstellung lautet „Bayern im frühen Mittelalter“. Aber kann man um 750/800 überhaupt schon von „Bayern“ sprechen?

Sicher. Die Namen „Baioarii“ für die Bayern und „Baiuaria“ für das Land tauchen schon Mitte des 6. Jahrhunderts auf. Es war freilich ein ganz anderes Bayern, als man es heute kennt. München gab es nicht, die wichtigen Städte waren Regensburg und Salzburg. Die Musik spielte im Donauraum, nicht wie heute in Oberbayern.

Herzog Tassilo ist in dieser Zeit Bayerns Herrscher. Von welcher Größe des Herzogtums reden wir, von wie vielen Einwohnern?

Das Gebiet ging im Norden bis zur Donau, im Süden bis Südtirol und Kärnten, im Osten bis Oberösterreich und im Westen bis zum Lech. Das waren keine Grenzen im heutigen Sinn, sondern Grenzräume. Auch von einer Staatlichkeit wie heute können wir natürlich nicht reden, und die Zahl der Einwohner ist völlig unbekannt. Nur so viel: Es war äußerst dünn besiedelt, wenige Verkehrswege, aber dichte Urwälder. Dieser Land regiert Tassilo III. von 748 bis 788, aber als Reiseherzog. Sein wichtigster Sitz war Regensburg.

Wie würden Sie Tassilo einordnen?

Er hätte Bayern am liebsten zum Königreich erhoben, er pflegte eine eigene Außenpolitik, seinen eigenen Kunststil und geriet in Konflikt mit König Karl, dem späteren Kaiser Karl den Großen. Bayern hatte auch später oft ein Problem mit der Zentrale, der bayerische Sonderweg beginnt hier, wenn man so will. Ein Schwerpunkt unserer Ausstellung ist die unter Tassilo entwickelte ganz eigene höfische Kunst. Der Tassilokelch hat eine Ornamentik von den britischen Inseln, aber auch herausragende byzantinisch-italienische Personendarstellungen.

Der Kelch ist ihr wichtigstes Ausstellungsstück. War es schwierig, ihn zu erhalten?

Für mich ist das eine Jahrhundertausleihe, das größte und schönste Kunstwerk seiner Art und Zeit. Der Messkelch aus vergoldetem Kupfer ist eine Leihgabe des Stifts Kremsmünster. Abt und Konvent waren nach einem persönlichen Gespräch bereit, ihn sechs Wochen für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Für die Ausfuhr war eine Genehmigung des österreichischen Bundesdenkmalamtes notwendig. Wir zeigen ihn vom 7. Mai bis 16. Juni, dann muss er zurück, denn im Kloster wird er noch zwei Mal im Gottesdienst verwendet. Sogar Papst Benedikt hatte ihn einmal in Händen.

Bischof Korbinian, die zweite Hauptperson ihrer Ausstellung, gründete der Überlieferung nach das Bistum Freising. Waren alle Einwohner Christen oder wie muss man sich die Religiosität vorstellen?

Nachdem Bayern früher zum Römischen Imperium gehört hatte, wo das Christentum Staatsreligion war, gab es sicher ein christliches Fundament. Freilich schliff sich das unter dem Einfluss der Völkerwanderung wieder ab, sodass man wohl von einem Nebeneinander von germanischen Gottesvorstellungen mit Wotan- und Thor-Verehrung und eben christlichen Glaubensriten ausgehen muss. Es gab aber keine strikte, blutige Missionierung, wie sie später Karl der Große gegen die heidnischen Sachsen betreiben wird. Korbinian, der erste Bischof von Freising, ist allerdings als Missionsbischof viel auf Reisen.

Auch Bruno, der ausgestopfte Bär, wird vom Museum Mensch und Natur ausgeliehen. Was hat es damit auf sich?

Anlässlich der legendären Zähmung des Bären durch Korbinian wollen wir in der Ausstellung auch das Verhältnis Mensch und Wildtier thematisieren und den Alltag der Menschen damals. Im 8. Jahrhundert stand der Bär ausschließlich für eine wilde und gefährliche Natur. Anders beim Publikumsliebling Bruno, der für uns ein Anker zur Gegenwart ist.

Dennoch wird so mancher mit dem frühen Mittelalter fremdeln – was ist Ihr Argument, warum man die Ausstellung unbedingt sehen sollte?

Es geht um Bayerns Wurzeln. Und obwohl es Bayern ist, ist es völlig anders. Der Ausstellungsbesucher taucht in ein fremdes Land ein, eine ganz andere Welt, und das zu erforschen, ist doch spannend.

Das Gespräch führte Dirk Walter

Artikel 8 von 11