In diesem Monat ist PIYP-Tag. Zumindest in den USA – und zwar seit 22 Jahren. Über das genaue Datum gibt es unterschiedliche Informationen, aber das ist nicht so wichtig. Ich mag so besondere Gedenktage, weil sie den Blick noch auf andere Dinge als das große Weltgeschehen lenken. Auch wenn natürlich Erinnern herausragender Ereignisse im Guten wie im Bösen erst möglich macht, die Gegenwart zu verstehen und Zukunft zu gestalten.
Aber es gibt eben auch Tage wie den PIYP. Das heißt Poem in your Pocket Day – Lyrik in der Hosen-, Mantel- oder Rocktasche. Jeder, jede ist gebeten, an diesem Tag ein Gedicht mit sich zu führen. Gerne im Kopf, aber eben auch in der Bekleidung. Der „Gedicht in deiner Tasche“-Tag wurde 2002 ins Leben gerufen – vom Büro des neuen Bürgermeisters von New York, dem damaligen Republikaner Michael Bloomberg, inzwischen Mitglied der Demokraten.
Es hat alles gepasst, denn im April feiert man sowieso den National Poetry Month. Wenn man schon mal dabei ist, auch im Alltag poetisch zu werden, kann man es gleich richtig machen. Der amerikanisch-lyrische April ist die größte literarische Feier der Welt. Und der Poem in your Pocket Day ist inzwischen sogar nationaler Feiertag. Inoffiziell, aber das macht ja nichts. Hauptsache, man widmet sich alten und neuen Gedichten.
Eine wundervolle Idee, Gedichte bei sich zu haben. Im Kopf, im Herzen oder halt in der Hosentasche. Eigene und solche, die andere Menschen verfasst haben, bekannte und unbekannte. Ich habe auf dem Nachttisch verschiedene Bände, die da immer liegen: von Rose Ausländer, meiner Lieblingsdichterin, von Mascha Kaléko, Hilde Domin, Paul Celan und William H. Auden. Es ist gut, mit Gedichten schlafen zu gehen.
Als Jugendliche blieb ich eher wach und schrieb heimlich nachts auf dem Fenstersims gesellschaftskritische Gedichte. Ich ging darin recht streng mit den Mitmenschen, vor allem mit Erwachsenen um. Das legt sich mit der Zeit. Wenn man bei Verstand ist und die eigenen Erfahrungen ernst nimmt, lernt man, barmherziger mit sich und anderen zu sein, etwas tiefer nach innen zu gehen und zu verstehen, wie komplex und nicht eben leicht dieses Leben ist.
Gedichte zu schreiben zwingt einen nachzudenken und es macht kreativ – auch im Handeln. Sie zu lesen, hilft der Seele, mal ein Tänzchen zu wagen oder in lyrischen Worten Komplizen für eigene Gedanken und Gefühle zu entdecken. Es ist so, wie Rose Ausländer schreibt: „Was soll ich euch schenken außer den Lichtblumen und Trauerblättern meiner Worte. Ich gehöre meinen Worten, die euch gehören.“ Danke an alle Poeten und Dichterinnen dieser Welt.