Redakteure werden nach meiner Beobachtung nicht allzu häufig gelobt. Machen sie ihre Arbeit gut, ist es selbstverständlich. Unterläuft ihnen ein Fehler, fallen alle über sie her – manchmal sogar die eigenen Kollegen und Kolleginnen, vor allem aber die Leserschaft. Ein Shitstorm ist heutzutage schnell entfesselt.
Auf Reisen dachte ich kürzlich an „meine“ Redakteure hier in der Heimatzeitung – an den Ressortleiter für München und Bayern und an den Online-Redakteur. Meine kleine Kolumne und die Porträtfotos obliegen ihrem Verantwortungsbereich. Wenn sie zufrieden sind, bin ich es auch. Finden sie freundliche Worte für ein Bild, höre ich Lob für meine Zeilen, ist der Tag schon mal gut gelaufen.
Ich dachte mit besonderer Sympathie an die beiden. Das kam so: Ein junger Praktikant der Stiftung, für die ich im Ausland war, plauderte mit mir über Filter. Die Filter, die vor allem junge Mädchen für ihre eigenen Fotos verwenden, wenn sie ins Internet gehen. Lieber hier und da korrigieren, als die Dinge belassen, wie sie sind.
Sven, so heißt der Praktikant, hat Erfahrungen mit Filtern. Denn ihm wurde von seiner ausländischen Universität nahegelegt, das Foto im Studentenausweis zu verschönern. Möchte er nicht, sagte Sven, der so etwas auch nicht nötig hat. Genauso wenig wie jeder und jede andere. Sollte er aber, wurde ihm dringend empfohlen. Einfach, damit er besser rüberkommt. Sven hat sich geweigert. Und ich habe mir mal eine App heruntergeladen, um zu sehen, was man alles tun kann, um grandios zu wirken. Das ist eine Menge. Ich könnte die Frisur und die Haarfarbe wechseln, die ganze Gesichtsform, Augenfarbe und Brauen, Ohren, Lippen, Zähne und Nasenform. Das Aussehen ist komplett korrigierbar.
Natürlich wären auch die Falten weg, wenn ich es richtig anstelle. Im „Body-Tuning“ lassen sich Arm- und Beinlänge verändern und die Haut straffen, die Taille verschmälern, die Oberweite vergrößern, verkleinern oder anheben. Es gibt auch Spezialeffekte, die ich in meine Fotos hineingeheimnissen dürfte. Zuerst kostenlos, dann für runde 40 Euro im Jahr.
Alles könnte schöner und ideal werden. Ich habe bloß keine Lust dazu. Denn wieso sollte ich aussehen, wie ich nicht aussehe? Dann bin ich nicht mehr die, die ich bin – mit allem, was mich ausmacht oder eben auch nicht. Im Zweifelsfall wage ich mich nicht unter die Leute, denn die würden mich nicht mehr erkennen. Auch irgendwie schade.
Sven hat sich gegen alle Versuche, ihn bildlich umzugestalten, erfolgreich zur Wehr gesetzt. Ich muss das erst gar nicht. Ressortleiter und Redakteur nehmen meine Fotos, wie sie sind. Und mich auch. Ein Grund, schlicht und einfach dankbar zu sein für alle Menschen, bei denen man fröhlich Ja zu sich selber sagen kann.