Der Urbayer von Exing

von Redaktion

Das Archäologen-Team von Dr. Florian Eibl legt das Skelett mit Holzwerkzeug und weichen Pinseln behutsam frei.

Das Skelett des Exingers ist 6800 Jahre alt: In der Jungsteinzeit wurde der Tote auf dem Rücken liegend und mit angewinkelten Knien begraben. Um ihn herum liegen Grabbeigaben. © Landratsamt Dingolfing-Landau, Kreisarchäologie (2)

Eichendorf – Er muss einmal ein starker, ehrwürdiger Mann gewesen sein. Der Exinger wurde ja feierlich in der lehmigen Erde im heutigen Niederbayern beerdigt. In einer Zeit, in der alle anderen Toten aus seinem Stamm nur verbrannt worden sind. Vielleicht war er der Dorfälteste, vielleicht der beste Jäger. In jeden Fall aber war der Exinger ein Mann von Ansehen. Damals vor 6800 Jahren.

In Exing, einem Ortsteil von Eichendorf im Kreis Dingolfing-Landau, hat der Kreisarchäologe Florian Eibl jetzt das Skelett ebenjenen Mannes gefunden. „Die Bestattungsart und die Grabbeigaben deuten darauf hin, dass es sich um eine Person mit herausgehobener Stellung handelt“, erklärt er. Der Urbayer, dessen Überreste Eibls Team seit Tagen behutsam mit Holzwerkzeugen freilegt, könnte eine Art früher Bürgermeister gewesen sein.

Seit Montag arbeitet der 47-jährige Florian Eibl an der Grabstätte neben einer viel befahrenen Straße im Vilstal. In direkter Nähe befindet sich ein Bodendenkmal für eine steinzeitliche Siedlung. Jetzt plant die Gemeinde hier ein Neubaugebiet, weshalb das Areal vorab untersucht wird. „Wir haben mit Resten von hölzernen Langhäusern oder Vorratskammern gerechnet, sind dann aber auf das Körpergrab gestoßen“, erzählt Eibl. „Ich war aufgeregt, als ich es der Jungsteinzeit zuordnen konnte.“ Der Exinger lag genau da, wo bald die neue Kanaltrasse entlangführt.

Eibl ist Experte in Sachen Jungsteinzeit. Es ist die Epoche in der Menschheitsgeschichte, die den Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zur Hirten- und Bauernkultur markiert. „Der Exinger hat gut 1500 Jahre mehr auf dem Buckl als Ötzi“, erklärt Eibl. Und wie die älteste Mumie der Welt macht auch ihn so einiges zur Sensation.

Körpergräber aus der Zeit um 4800 vor Christus sind extrem selten, in ganz Altbayern sind heute nur zehn Grabstätten bekannt. „Für die breite Masse war damals Brandbestattung Sitte“, sagt Eibl. „Nur für Ausgewählte kam eine Erdbestattung infrage.“ Diesen Status musste man sich noch erarbeiten, bevor Macht in Kriegerkasten auch vererbt wurde. Der Exinger muss das einst geschafft haben.

Eine Art Statussymbol trug er sogar so lange bei sich, bis die Forscher ihn vor wenigen Tagen gefunden haben: einen gespaltenen Eberzahn. „Die Jagd auf so ein Tier ist mit den damaligen Waffen lebensgefährlich gewesen“, sagt Eibl. Die einzigartige Trophäe nahm man also mit ins Grab. Im Fall des Exingers zierte er eine Tasche, die ein Taschenmesser sowie ein jungsteinzeitliches Feuerzeug, also einen Pyrit samt Zunderschwämmchen, enthalten hat.

Der Exinger wurde mit angezogenen Beinen auf dem Rücken liegend beerdigt. Eine Steinbeilklinge wurde vor und eine hinter ihm abgelegt. Sie waren zur Holzbearbeitung geeignet, aber auch als Waffen. Rund um den Schädel fanden die Archäologen mehrere verzierte Keramikgefäße. Sie haben Eibl verraten, aus welcher Zeit das Grab stammt. Auf dem Bauch des Toten muss beim Beerdigungsritus eine Schale abgestellt worden sein. Darin befand sich wohl Grafit, der einst als Farbstoff verwendet worden ist.

Seit der Exinger freiliegt, wird er rund um die Uhr mit Flüssigkeit „eingenebelt“, damit der lehmige, säurehaltige Boden um ihn herum nicht zu trocken wird. Zu nass darf er allerdings auch nicht sein. „Beides würde die 6800 Jahre alten Knochen in Rekordzeit zerstören“, so Eibl. Gestern hat der Exinger Besuch von einer Anthropologin bekommen, die das ganze Grabfeld analysiert hat. Heute soll sein Skelett in die Untersuchungs- und Depot-Räume des Kreisarchäologen verlegt werden. Im Labor wird genauer geforscht. Anhand Untersuchungen an Zähnen und Knochen bestätigen die Forscher final das Geschlecht und wissen vielleicht auch, wie alt der Tote war, ob er eher tierische oder pflanzliche Eiweiße verzehrt hat und in welcher Gegend er aufgewachsen ist.

Wenn es nach den Niederbayern geht, bleibt der Exinger aber in jedem Fall an seinem Fundort. „Die Gemeinde will beim Freistaat beantragen, dass ihr die Funde übereignet werden“, erklärt Florian Eibl. „Da trifft es sich gut, dass wir in Landau mit dem Kastenhof seit 2019 ein archäologisches Museum haben, das auf die Jungsteinzeit spezialisiert ist.“ Damals war das heutige Niederbayern mit seinen fruchtbaren Böden eine hochentwickelte Boomregion, anders als die Münchner Schotterebene.

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