Reden gegen die Angst

von Redaktion

Erster Jahresempfang der Evangelischen Landeskirche in Tutzing – Warnung vor Verschwörungstheorien

Ökumenisches Zeichen: Kardinal Marx war Gast von Landesbischof Kopp (r.) beim Empfang der Landeskirche. © Andrea Jaksch

Tutzing – Es war eine Premiere am Mittwochabend am Ufer des Starnberger Sees: Die bayerische Evangelische Landeskirche hat erstmals zu einem Jahresempfang eingeladen. Was das Erzbistum München und Freising bereits seit Jahrzehnten immer im Sommer in der Katholischen Akademie in München praktiziert, hat nun auch die Schwesterkirche aufgegriffen. Bislang hatte in Tutzing stets im Januar die Evangelische Akademie zum großen Empfang eingeladen.

Für den Start einer – vielleicht neuen Tradition – hatte sich die Landeskirche kurz vor Pfingsten und drei Wochen vor der Europawahl ein brennendes Thema ausgewählt: „Was die Welt zusammenhält“. Als Gesprächspartner hatte Landesbischof Christian Kopp die katholische Schriftstellerin Nora Bossong und den Londoner Sicherheitsexperten Prof. Peter Neumann aufs Podium geholt. Dass das gesellschaftliche Klima rauer geworden ist, treibt den Landesbischof um. „Ich habe große Sorge, dass sich immer weniger Menschen bereitfinden, sich zur Wahl zu stellen.“ Neumann, der ein Buch über „Die Logik der Angst“ geschrieben hat, warnte vor der aktuell sehr populären Verschwörungstheorie über einen angeblich „großen Austausch der Gesellschaft“, der von den „liberalen Eliten“ wie Journalisten, Kulturmarxisten und die Gutmenschen in den Kirchen angetrieben werde. Das Narrativ lautet: Dass die Kulturfremden – meist Muslime – in unsere Gesellschaft hereinkämen und früher oder später die Kontrolle übernähmen, sei kein Zufall. Dahinter steckten die Gutmenschen, die ihre eigene Identität hassten. „Diese Logik der Angst verfängt, weil es derzeit so viele Ängste in der Gesellschaft gibt.“

Nora Bossong (42) beschrieb eine große Leerstelle in ihrer Generation, weil dort die Bedeutung des Christentums sehr stark zurückgegangen sei. Spürbare werde das erst, wenn man in existenzielle Nöte gerate. Mit strukturellen Reformen könne man das nicht bewältige. „Wenn wir nicht wieder an den Kern kommen, an eine Beziehung zu Gott, dann macht sich Kirche überflüssig“, sagte die Autorin. Ihr fehlt Demut in der Gesellschaft. „Demut braucht man, um auszuhalten, dass man selbst nicht das Größte ist“, sagte sie unter dem Beifall der Gäste. Eine der wichtigsten Aufgaben von Religionen sei es im Moment, das „Ins-Reden-Kommen“ zu organisieren, betonte Landesbischof Kopp – dafür war in Tutzing an diesem lauen Frühsommerabend reichlich Gelegenheit. CLAUDIA MÖLLERS

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